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Sima, welches nachströmend das Loch noch nicht ganz gefüllt hat. Es ist dies vielleicht derjenige Fall, wo wir uns am genauesten Rechenschaft über die Entstehung einer Tiefseerinne ablegen können.

     Für die Atakamarinne westlich von Chile scheint sich die Möglichkeit noch einer anderen Erklärung zu ergeben. Berücksichtigen wir nämlich, daß sich bei der Aufstauung dieses Gebirges alle Schichten unterhalb des Tiefseeniveaus nach unten stauchen, so muß hierdurch auch der benachbarte Tiefseeboden mit hinabgezogen werden[1]. Dazu kommt noch ein weiterer Grund für das Sinken des Kontinentalrandes, nämlich die Abschmelzung der nach unten gerichteten Gebirgsfaltung und die durch die Westwanderung der Scholle bewirkte Entführung der geschmolzenen Massen nach Osten, wo sie nach unseren Annahmen teilweise in der Abrolhosbank auftauchen. Auch hierdurch muß der Kontinentalrand sinken und das benachbarte Sima mit hinabschleppen.

     Natürlich bedürfen diese Vorstellungen noch durchaus der Prüfung im einzelnen. Von großer Wichtigkeit hierfür sind die Ergebnisse der Schweremessungen. Bereits Hecker [198] hatte über der Tongarinne ein starkes Schweredefizit, auf dem benachbarten Tongaplateau dagegen einen Schwereüberschuß gefunden. Dies wurde neuerdings von Vening Meinesz [39] an einer großen Zahl von Tiefseerinnen bestätigt. Wir geben hier aus seinen Veröffentlichungen das in Abb. 63 dargestellte Schwereprofil zwischen den Philippinen und San Franzisko wieder, in dem auch das Bodenprofil eingezeichnet ist. Hier wurden vier Rinnen gekreuzt, und der Schwereverlauf war überall der gleiche: über der Rinne selbst ein Defizit, über der daneben gelegenen Erhebung ein Überschuß. Diese Gesetzmäßigkeit scheint zu zeigen, daß in der Rinne der isostatische Ausgleich durch Nachströmen des Simas noch nicht erfolgt ist; die Anordnung läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß die die Erhebung darstellende Scholle eine schiefe Lage besitzt (vgl. Abb. 52, S. 201). Doch sind weitere Forschungen nötig, ehe man zu einem abschließenden Urteil gelangen kann.


  1. Der von Ampferer, A. Penck u. a. gemachte Einwand, bei der Bewegung Amerikas nach Westen müßte sich vor dem Schollenrand ein Simagebirge auftürmen, ist unzutreffend, wenn, wie wir annehmen müssen, alle Faltung sich unter Wahrung der Isostasie vollzieht. Die ausweichende Bewegung des Simas kann wegen seiner Schwere nicht nach oben gehen, sondern nur nach unten, und unterhalb der Kontinentalscholle nach rückwärts, genau wie die Bewegung des Wassers, wenn ein schwimmender Körper langsam durch dasselbe fortgezogen wird.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)