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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

sich, einer Partei beigetreten zu sein, die ihm sonst außer den berühmten Namen, die sie an der Spitze trug, ziemlich gleichgültig war. So aber hatte auch ihr Vater sich in dem Sammelplatze des Heeres eingefunden, und durfte er auch nicht hoffen, daß ihm das Glück vergönnen werde, an der Seite des teuren Mannes zu fechten, so trug er doch die Gewißheit in der Brust, ihm beweisen zu können, daß Georg von Sturmfeder nicht der letzte Kämpfer im Heere sei.

Der Hausherr führte ihn nach aufgehobener Tafel in sein Schlafgemach und schied von ihm mit einem herzlichen Glückwunsch für seine Ruhe. Georg sah sich das Gemach, das man ihm angewiesen hatte, näher an und fand, daß es ganz zu dem öden Hause passe. Die runden, vom Alter geblendeten Scheiben der Fenster, das dunkle Täferwerk an Wand und Decke, der große, weitvorspringende Ofen, selbst das ungeheure Bette mit breitem Himmel und steifen, schweren Gardinen, sie gewährten ein düsteres, beinahe trauriges Aussehen. Aber dennoch war alles zu seiner Bequemlichkeit eingerichtet. Frische, schneeweiße Linnen blinkten ihm einladend aus dem Bette entgegen, als er die Vorhänge zurückschlug; der Ofen verbreitete eine angenehme Wärme, eine Nachtlampe war an der Decke aufgehängt, und selbst der Schlaftrunk, ein Becher wohlgewürzten, warmen Weines, war nicht vergessen. Er zog die Gardinen vor und ließ die Bilder des vergangenen Tages an seiner Seele vorüberziehen. Geordnet und freundlich kamen sie anfangs vorüber, dann aber verwirrten sie sich, in buntem Gedränge führten sie seine Seele in das Reich der Träume, und nur ein teures Bild ging ihm heller auf, es war das Bild der Geliebten.




[79]

V.


 „– Ist’s kein Wahn?
 Will der Holde, Vielgetreue,
 Dem ich Herz und Leben weihe,
 Heute noch zu Gruß und Kusse nahn?“
 F. Haug.[1]


Georg wurde am anderen Morgen durch ein bescheidenes Pochen an seiner Thüre erweckt. Er schlug die Vorhänge seines Bettes zurück und sah, daß die Sonne schon ziemlich hoch stehe. Es wurde wieder und stärker gepocht, und sein freundlicher Wirt, schon völlig im Putz, trat ein. Nach den ersten Erkundigungen, wie sein Gast geschlafen habe, kam Herr Dieterich gleich auf die Ursache seines frühen Besuches. Der Große Rat hatte gestern abend noch beschlossen, die Ankunft der Bundesgenossen auch durch einen Tanz zu feiern, der am heutigen Abend auf dem Rathause abgehalten werden sollte. Ihm, als dem Ratschreiber, kam es zu, alles anzuordnen, was zu dieser Festlichkeit gehörte, er mußte die Stadtpfeifer bestellen, die ersten Familien feierlich und im Namen des Rates dazu einladen, er mußte vor allem zu seinen liebsten Mühmchen eilen, um ihnen dieses seltene Glück zu verkündigen.

Er erzählte dies alles mit wichtiger Miene seinem Gaste und versicherte ihn, daß er vor dem Drang der Geschäfte nicht wisse, wo ihm der Kopf stehe. Doch Georg hatte nur für eines Sinn; er durfte hoffen, Marien zu sehen und zu sprechen, und darum hätte er gerne Herrn Dieterich für seine gute Botschaft an das freudig pochende Herz gedrückt.

„Ich sehe es Euch an“, sagte dieser, „die Nachricht macht Euch Freude, und die Tanzlust leuchtet Euch schon aus den Augen. Doch Ihr sollt ein paar Tänzerinnen haben, wie Ihr sie nur wünschen könnt; mit meinen Bäschen sollt Ihr mir tanzen, denn ich bin ihr Führer bei solchen Gelegenheiten und werde es schon zu machen wissen, daß Ihr und kein anderer zuerst sie aufziehen sollet; und wie werden sie sich freuen, wenn ich ihnen einen so


  1. Joh. Christoph Friedr. Haug (1761–1829), Bibliothekar zu Stuttgart, ist besonders als Epigrammdichter bekannt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 78–79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)