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gelehrtes Zeug geschwatzt haben, doch der Herr hat nicht darauf geachtet, sondern die Pfote selbst untersucht, und da fand es sich, daß sie schon ganz schwarz und brandig war. Da nahm der Herzog den Kahlmäuser, so lang er war, trug ihn an die lange Treppe, auf der man bis in den zweiten Stock hinaufreiten kann, und warf ihn hinunter, daß er halb tot unten ankam. Und seit der Zeit ist der Doktor Calmus nicht gut auf den Herzog zu sprechen. Andere sagen auch, er sei der Kundschafter gewesen zwischen dem Hutten und Frau Sabina und habe nur deswegen den Hund übernommen, weil er dadurch ins Schloß kam.“

„So? mit dem Hutten hat er es gehalten?“ sagte einer der Bürger. „Das hätten wir wissen sollen, so hätten wir ihm das Fell recht gegerbt, dem Lumpendoktor! Der Hutten ist doch an all dem unseligen Kriege schuld mit seiner Liebelei, und der dürre Kahlmäuser hat ihm dazu geholfen.“

De mortuis nil nisi bene; man muß die Toten schonen, sagen die Lateiner“, entgegnete der fette Herr; „der arme Teufel hat es mit dem Leben teuer genug bezahlt.“

„Aber es ist ihm recht geschehen“, rief jener Bürger mit großer Hitze; „an des Herzogs Stelle hätte ich’s gerade auch so gemacht, ein jeder Mann muß sein Hausrecht wahren.“

„Reitet Ihr zuweilen mit dem Vogt auf die Jagd?“ fragte der fette Herr mit überaus schlauem Lächeln, „da habt Ihr die beste Gelegenheit; ein Schwert habt Ihr ja, und eine Eiche wird sich auch finden, wohin Ihr seinen Leichnam hängen könnet.“

Ein schallendes Gelächter der Bürger von Pfullingen belehrte den Gast im Erker, daß jener eifrige Verteidiger des Hausrechts in seinem eigenen Hause nicht so ganz strenge Justiz üben müsse. Er errötete und murmelte einige unverständliche Worte in seinen Becher hinein.

Der Zerlumpte aber, der als Fremder nicht mitlachen wollte, nahm sich seiner an: „Jawohl hat der Herzog ganz recht gehabt; denn er hätte den Hutten auf der Stelle hängen können, ohne daß er erst mit ihm focht, er ist ja Freischöff vom westfälischen Stuhl, vom heimlichen Gericht, und darf einen solchen Ehrenschänder ohne weiteres abthun. Und er hatte die besten Beweise gleich bei [205] der Hand; kennt Ihr das schöne Liedlein? Ich will einmal ein paar Verse daraus singen:[1]

Und im Wald’ er sich zum Hutten wandt’:
‚Was flimmert dort an deiner Hand?‘ –
‚Herr Herzog, ’s ist ein Ringelein,
Das hab’ ich von meiner Liebsten fein.‘

‚Ei Hans, du bist ein stattlich Mann,
Hast auch ein gülden Kettlein an!‘ –
‚Das hat mir auch mein Schatz geschenkt,
Zum Zeichen, daß sie mein gedenkt.‘

Dann heißt es weiter:

O Hutten, gib dein’m Gaul die Sporn,
Des Herzogs Auge rollt voll Zorn,
O Hutten, fleuch, noch ist es Zeit,
Er reißt das Schwert schon aus der Scheid’. –“

„Laßt es lieber gut sein“, unterbrach ihn der fette Herr mit ernster Miene; „es ist nicht gut, daß man in solchen Zeiten dies Lied in der Herberge singt; dem Herzog kann es nicht mehr nützen, und die Bündischen sind rings um uns; es könnte leicht einer etwas davon hören“, setzte er mit einem stechenden Blick auf Georg hinzu, „und dann hieße es gleich: Pfullingen zahlt hundert Gulden Brandsteuer mehr.“

„Weiß Gott, Ihr habt recht“, sagte der Zerlumpte, „es ist nicht mehr wie früher, wo man ein freies Wort sprechen und singen durfte beim Wein in der Trinkstube; da muß man immer umschauen, ob nicht dort ein Herzoglicher und auf der andern Seite ein Bündler sitzt; aber den letzten Vers will ich noch singen, trotz Bayern und dem Schwabenbund:

Es steht eine Eich’ im Schönbuchwald,
Gar breit in den Ästen und hoch gestalt’t;
Die wird zum Zeichen Jahrhunderte stah’n:
Dort hing der Herzog den Hutten d’ran.“

Er hatte ausgesungen, das Gespräch der Bürger sank jetzt zum Geflüster herab, und Georg glaubte zu bemerken, daß sie über ihn


  1. Vgl. S. 30 und unsre Anmerkungen am Schluß des Bandes.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 204–205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)