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guter Lichtenstein, kann ich nicht annehmen. Ich ehre Euch wie einen Vater, Ihr habt getreu an mir gehandelt, Ihr habt mir allnächtlich Eure Burg geöffnet; ich will’s vergelten. Wenn ich mit Gottes Hülfe wieder ins Land komme, soll Eure Stimme die erste sein in meinem Rat.“

Sein Auge fiel auf den Pfeifer von Hardt, der demütig in der Ferne stand: „Komm her, du getreuer Mann!“ rief er ihm zu und reichte ihm seine Rechte, „du hast dich einst schwer an Uns verschuldet, aber du hast treu abgebüßt, was du gefehlt.“

„Ein Leben ist nicht so schnell vergolten“, sagte der Bauer, indem er düster zum Boden blickte, „noch bin ich in Eurer Schuld, aber ich will sie zahlen.“

„Gehe heim in deine Hütte, so ist mein Wille; treibe deine Geschäfte wie zuvor, vielleicht kannst du Uns treue Männer sammeln, wenn Wir wieder ins Land kommen. Und Ihr, Fräulein! wie kann ich Eure Dienste lohnen? Seit vielen Nächten habt Ihr den Schlaf geflohen, um mir die Thüre zu öffnen und mich zu sichern vor Verrat! Errötet nicht so, als hättet Ihr eine große Schuld zu gestehen; jetzt ist es Zeit zu handeln. Alter Herr“, wandte er sich zu Mariens Vater; „ich erscheine als Brautwerber vor Euch, Ihr werdet den Eidam nicht verschmähen, den ich Euch zuführe?“

„Wie soll ich Eure Reden verstehen, gnädigster Herr“, sagte der Ritter, indem er verwundert auf seine Tochter sah.

Der Herzog ergriff Georgs Hand und führte ihn zu jenem. „Dieser liebt Eure Tochter, und das Fräulein ist ihm nicht abhold, wie wäre es, alter Herr, wenn Ihr ein Pärlein aus ihnen machtet? Zieht nicht die Stirne so finster zusammen, es ist ein ebenbürtiger Herr, ein tapferer Kämpe, dessen Arm ich selbst versuchte, und jetzt mein treuer Geselle in der Not.“

Marie schlug die Augen nieder, auf ihren Wangen wechselte hohe Röte mit Blässe, sie zitterte vor dem Ausspruch des Vaters. Dieser sah sehr ernst auf den jungen Mann: „Georg“, sagte er, „ich habe Freude an Euch gehabt seit der ersten Stunde, daß ich Euch sah; sie möchte übrigens nicht so groß gewesen sein, hätte ich gewußt, was Euch in mein Haus führte.“

[295] Georg wollte sich entschuldigen, der Herzog aber fiel ihm in die Rede: „Ihr vergesset, daß ich es war, der ihn zu Euch schickte mit Brief und Siegel, er kam ja nicht von selbst zu Euch; doch was besinnet Ihr Euch so lange? Ich will ihn ausstatten wie meinen Sohn, ich will ihn belohnen mit Gütern, daß Ihr stolz sein sollet auf einen solchen Schwiegersohn.“

„Gebt Euch keine Mühe weiter, Herr Herzog“, sagte der junge Mann gereizt, als der Alte noch immer unschlüssig schien. „Es soll nicht von mir heißen, ich habe mir ein Weib erbettelt und ihrem Vater mich aufdrängen wollen; dazu ist mein Name zu gut.“ Er wollte im Unmut das Zimmer verlassen, der Ritter von Lichtenstein aber faßte seine Hand, „Trotzkopf!“ rief er, „wer wird denn gleich so aufbrausen, da, nimm sie, sie sei dein, aber – denke nicht daran, sie heimzuführen, so lange ein fremdes Banner auf den Türmen von Stuttgart weht. Sei dem Herrn Herzog treu, hilf ihm wieder ins Land zu kommen, und wenn du treulich aushältst: am Tag, wo ihr in Stuttgarts Thore einzieht, wo Württemberg seine Fahnen wieder aufpflanzt und seine Farben von den Zinnen wehen, will ich dir mein Töchterlein bringen, und du sollst mir ein lieber Sohn sein!“

„Und an jenem Tag“, sprach der Herzog, „wird das Bräutchen noch viel schöner erröten, wenn die Glocken tönen von dem Turme und die Hochzeit in die Kirche ziehet! Dann werde ich zum Bräutigam treten und zum Lohn fordern, was mir gebührt. Da, guter Junge! gib ihr den Brautkuß, es ist zu vermuten, daß es nicht der erste ist, herze sie noch einmal, und dann gehörst du mein bis an den fröhlichen Tag, wo wir in Stuttgart einziehen. Lasset uns trinken, ihr Herren, auf die Gesundheit des Brautpaars.“

Auf Mariens holden Zügen stieg ein Lächeln auf und kämpfte mit den Thränen, die noch immer aus den schönen Augen perlten. Sie goß die Becher voll, und kredenzte den ersten dem Herzog mit so dankbaren Blicken, mit so lieblicher Anmut, daß er Georg glücklich pries und sich gestehen mußte, manch anderer machte um solchen Preis selbst sein Leben wagen.

Die Männer ergriffen ihre Becher und erwarteten, daß ihnen

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 294–295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_170.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)