Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 014.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Schritte durch diese Hallen. – Ha! es ist so; es kömmt näher: es tastet an der Thüre hin und her, es faßt und schüttelt die Klinge; doch die Thüre ist verschlossen und mit Riegeln verhängt; mich stört heute nacht kein Sterblicher mehr. Ha, was ist das? die Thüre springt auf! Entsetzen!

[Vignette]

Vor der Thüre standen zwei Männer und machten gegenseitig Komplimente über den Vortritt; der eine war ein langer, hagerer Mann, trug eine große, schwarze Lockenperücke, einen dunkelroten Rock nach altfränkischem Schnitt, überall mit goldenen Tressen und goldgesponnenen Knöpfen besetzt; seine ungeheuer langen und dünnen Beine staken in engen Beinkleidern von schwarzem Samt mit goldenen Schnallen am Knie; daran schlossen sich rote Strümpfe, und auf den Schuhen trug er goldene Schnallen. Den Degen mit einem Griff von Porzellän hatte er durch die Hosentasche gesteckt; er schwenkte, wenn er ein Kompliment machte, einen dreispitzigen, kleinen Hut von Seide, und die Lockenschwänze seiner Perücke rauschten dann wie Wasserfälle über die Schultern herab. Der Mann hatte ein bleiches, abgehärmtes Gesicht, tiefliegende Augen und eine große, feuerrote Nase. Ganz anders war der kleinere Geselle anzuschauen, dem jener den Vortritt gönnen wollte. Seine Haare waren fest an den Kopf geklebt mit Eiweiß, und nur an den Seiten waren sie in zwei Rollen gleich Pistolenhalftern gewickelt; ein ellenlanger Zopf schlängelte sich über seinen Rücken; er trug ein stahlgraues Röcklein, rot aufgeschlagen, stak unten in großen Reiterstiefeln und oben in einer reichgestickten Bratenweste, die über sein wohlgenährtes Bäuchlein bis auf die Knie herabfiel, und hatte einen ungeheuern Raufdegen umgeschnallt. Er hatte etwas Gutmütiges in seinem feisten Gesichte, besonders in den Äuglein, die ihm wie einem Hummer hervorstanden. Seine Manövers führte er mit einem ungeheuern Filzhut aus, der auf zwei Seiten aufgeklappt war.

Ich hatte, nachdem ich mich von dem ersten Schrecken erholt, Zeit genug, diese Bemerkungen zu machen, denn die beiden [25] Herren machten wohl mehrere Minuten lang vor der Schwelle die zierlichsten Pas. Endlich riß der Lange auch den zweiten Flügel der Thüre auf, nahm den Kleinen unter dem Arm und führte ihn in mein Gemach. Sie hingen ihre Hüte an die Wand, schnallten die Degen ab und setzten sich, ohne mich zu beachten, stillschweigend an den Tisch. „Ist denn heute Fastnacht in Bremen?“ sprach ich zu mir, indem ich über die sonderbaren Gäste nachdachte; und doch kam mir ihre ganze Erscheinung so unheimlich vor, besonders wußte ich mich in ihre starren Blicke, in ihr Schweigen nicht zu finden; ich wollte mir eben ein Herz fassen und sie anreden, als ein neues Geräusch im Keller entstand. Schritte tönten näher, die Thüre ging auf, und vier andere Herren, nach derselben alten Mode wie die ersten gekleidet, traten ein. Mir fiel besonders der eine auf, der wie ein Jäger gekleidet war, denn er trug Hetzpeitsche und Jagdhorn und schaute ungemein fröhlich um sich.

„Gott grüß’ euch, ihr Herren vom Rheine!“ sprach der Lange im roten Rocke im tiefen Baß, indem er aufstand und sich verbeugte. „Gott grüß’ Euch“, quiekte der Kleine dazu, „haben uns lange nicht gesehen, Herr Jakobus!“

„Frisch auf! holla und guten Morgen, Herr Matthäus“, rief der Jäger dem Kleinen zu, „und auch Euch guten Morgen, Herr Judas! Aber was ist das? Wo sind die Römer, wo Pfeifen und Tabak? Ist der alte Maueresel noch nicht wach aus seinem Sündenschlaf?“

„Die Schlafmütze!“ erwiderte der Kleine, „der schläferige Bengel, droben liegt er noch in Unser Lieben Frauenkirchhof, aber das Donnerwetter, ich will ihn herausschellen!“ Dabei ergriff er eine große Glocke, die auf dem Tische stand, und klingelte und lachte in grellen, schneidenden Tönen. Auch die drei andern Herren hatten Hüte, Stock und Degen in die Ecken gestellt, sich gegenseitig gegrüßt und an den Tisch gesetzt. Zwischen dem Jäger und dem roten Judas saß einer, den sie Andreas nannten. Es war ein überaus zierlicher und feiner Herr, auf seinen schönen, noch jugendlichen Zügen lag ein wehmütiger Ernst, und um die zarten Lippen schwebte ein mildes Lächeln; er trug eine blonde Perücke

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 24–25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_014.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)