Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 020.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

drei Maß zum Frühstück war ihm ein Kleines, und oft hat er abends zum Zuspitzen ein halb Imi[1] getrunken und nachher gut geschlafen. Als nun der König voll Besorgnis war, sie möchten im Bremer Ratskeller seinem Gesandten allzusehr zusetzen, so erzählte ihm der Kanzler Oxenstierna[2] von dem Hauptmann, Gutkunst hieß er, der so viel trinken könne. Des freute sich der König und ließ ihn vor sich kommen.

Da brachten sie einen kleinen, hageren Mann, der war ganz bleich im Gesicht, hatte aber eine große, kupferrote Nase und hellblaue Lippen, was ganz wunderlich anzusehen war. Der König fragte ihn, wieviel er sich wohl zu trinken getraue, wenn es recht ernstlich zuginge. ‚O Herr und König‘, antwortete er, ‚so ernstlich bin ich noch nie darangekommen, habe mich bis dato auch noch nicht geeicht; der Wein ist nicht wohlfeil, und man kann täglich nicht über sieben, acht Maß trinken, ohne in Schulden zu geraten.‘ – ‚Nun, wieviel meinst du denn führen zu können?‘ fragte der König weiter. Er aber antwortete unerschrocken: ‚Wenn Euer Majestät bezahlen wollen, möchte ich wohl einmal zwölf Mäßchen trinken, mein Reitknecht, der Balthasar Ohnegrund, kann es aber noch besser.‘ Da schickte der König auch nach Balthasar Ohnegrund, dem Knecht des Hauptmann Gutkunst, und war der Herr schon blaß gewesen und mager, so war es der Diener noch mehr, der ganz aschenfarb aussah, als hätt’ er sein Lebenlang Wasser getrunken.

Da ließ nun der König den Hauptmann und Ohnegrund, den Reitknecht, in ein Zelt setzen und einige Fäßlein alten Hochheimer und Nierensteiner anfahren und wollte haben, die beiden sollten sich eichen lassen. Sie tranken von morgens eilf Uhr bis abends vier Uhr ein Imi Hochheimer und anderthalb Imi Nierensteiner, und der König ging voll Verwunderung zu ihnen ins Zelt, um zu sehen, wie es mit ihnen stehe. Die beiden Gesellen waren aber wohlauf, und der Hauptmann sagte: ‚So, jetzt will [37] ich einmal die Degenkuppel abschnallen, dann geht’s besser;‘ Ohnegrund machte aber drei Knöpfe an seinem Koller auf.

Da entsatzten sich alle, die dies sahen, der König aber sprach: ‚Kann ich bessere Gesandte finden nach der fröhlichen Stadt Bremen als diese?‘ Und alsobald ließ er dem Hauptmann prächtige Kleider und Waffen geben, wie auch Ohnegrund, dem Reitknecht, denn dieser sollte den Schreiber des Gesandten vorstellen. Der König und der Kanzler unterrichteten den Hauptmann, was er zu sagen hätte bei der Unterhandlung, und nahm beiden das Versprechen ab, daß sie auf der ganzen Reise nur Wasser trinken sollten, damit nachher das Treffen im Keller um so glorreicher würde; Gutkunst aber, der Hauptmann, mußte seine rote Nase mit einer künstlichen Salbe anstreichen, auf daß sie weiß aussah, damit man nicht merke, welch ein Kunde er sei.

Ganz elendiglich vom vielen Wassertrinken kamen die beiden nach der Stadt Bremen, und nachdem sie bei dem Bürgermeister gewesen, sagte dieser zum Senat: ‚O! was hat uns der Schwede für zwei bleiche, magere Gesellen geschickt; heute abend wollen wir sie in den Ratskeller führen und zudecken. Ich nehme den Gesandten auf mich ganz allein, und der Doktor Schnellpfeffer muß auf den Schreiber.‘ So wurden sie denn abends nach der Betglocke feierlichst in den Ratskeller geführt, der Bürgermeister führte Gutkunsten, den Hauptmann, der Doktor Schnellpfeffer, was auch ein guter Trinker war, führte den Reitknecht am Arm, der, als Schreiber angethan, sich recht züchtiglich gebärdete; hinter ihnen gingen viele Ratsherren, die zur Verhandlung geladen waren. Hier in diesem Gemach setzten sie sich um den Tisch und verspeisten zuerst Hasenbraten und Schinken und Häringe, um sich zum Trinken zu rüsten. Dann wollte der Gesandte ganz ehrbar mit der Verhandlung anfangen, und sein Schreiber zog Pergament und Feder aus der Tasche; aber der Bürgermeister sprach: ‚Mit nichten also, ihr edlen Herren; so ist es nicht Gebrauch in Bremen, daß man die Sache also trocken abmacht; wollen einander vorerst auch zutrinken nach Sitte unserer Väter und Großväter.‘ – ‚Kann eigentlich nicht viel vertragen‘, antwortete der Hauptmann, ‚dieweil es aber Seiner Magnifizenz


  1. Imi oder Immi, vom frz. Emine, Hémine, ist ursprünglich ein Getreidemaß.
  2. Axel Graf von Oxenstierna (1583–1654), schwedischer Kanzler unter Gustav Adolf, während des Dreißigjährigen Krieges mit diesem in Deutschland und nach des Königs Tode mit der Leitung der schwedischen Sache betraut.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 36–37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_020.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)