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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

natürlich konnte Dagobert dies nicht thun und, darüber aufgebracht, ruhte der Oberst nicht eher, bis der Arme nach Halle versetzt worden ist. Ach, du kannst dir gar nicht denken, wie wehmütig mir ums Herz ist, wenn der Zapfenstreich an meinem Fenster vorbeikommt, sie spielen ihn alle Abend nach der neuen Erfindung, und der, welcher ihn machte, kann ihn nicht hören!“

„Ich bedaure dich recht; aber weißt du auch schon etwas ganz Neues? daß sie bei der Garde andere Uniform bekommen?“

„Ist’s möglich? O sage, wie denn? woher weißt du es?“

„Höre, aber im engsten Vertrauen: denn es ist noch tiefes, tiefes Geheimnis. Eduard hat es von seinem Obersten und gestand mir es neulich, aber unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit: sieh’, die Knöpfe werden auf der Brust weiter auseinander gesetzt und laufen weiter unten enger zu, auf diese Art wird die Taille noch viel schlanker, dann sollen sie auch goldene Achselschnüre bekommen, das weiß aber der Oberst, und ich glaube selbst der General noch nicht ganz gewiß; – Eduard muß aussehen wie ein Engel – siehe bisher …“

Sie flüsterten jetzt leiser, so daß ich über den Schnitt der Garde-Uniform nicht recht ins klare kommen konnte. Nur so viel sah ich, daß schöne Augen bei platonischen Empfindungen ein recht schönes Feuer haben, daß sie aber viel reizender leuchten, bei weitem glänzendere Strahlen werfen, wenn sich sinnliche Liebe in ihnen spiegelt.





Dreizehntes Kapitel.
Angststunden des Ewigen Juden.

Der Vorleser war bis an einen Abschnitt gekommen und legte das Buch nieder. Allgemeiner Applaus erfolgte, und die gewöhnlichen Ausrufungen, die schon dem Stickmuster gegolten hatten, wurden auch der „Gabriele“ zu teil. Ich konnte die Geistesgegenwart und die schnelle Fassungskraft der beiden Fräulein nicht genug bewundern, obgleich sie nicht den kleinsten Teil des Gelesenen gehört haben konnten, so waren sie doch schon so gut geschult, [265] daß sie voll Bewunderung schienen; die eine lief sogar hin zu Frau von Wollau, faßte ihre Hand und drückte sie an das Herz, indem sie ihr innig dankte für den Genuß, den sie allen bereitet habe.

Diese Dame saß aber da, voll Glanz und Glorie, wie wenn sie die „Gabriele“ selbst zur Welt gebracht hätte. Sie dankte nach allen Seiten hin für das Lob, das ihrer Freundin zu teil geworden, und gab nicht undeutlich zu verstehen, daß sie selbst vielleicht einigen Einfluß auf das neue Buch gehabt habe; denn sie finde hin und wieder leise Anklänge an ihre eigenen Empfindungen, an ihre eigenen Ideen über inneres Leben und über die Stellung der Frauen in der Gesellschaft, die sie in traulichen Stunden ihrer Freundin aufgeschlossen.

Man war natürlich so artig, ihr deswegen einige Komplimente zu machen, obgleich man allgemein überzeugt war, daß die „geniale Freundin“ nichts aus dem innern Wollauschen Leben gespickt haben werde.

Der Ewige Jude hatte indes bei diesen Vorgängen eine ganz sonderbare Figur gespielt. Verwunderungsvoll schaute er in diese Welt hinein, als traue er seinen Augen und Ohren nicht; doch war das Bemühen, nach meiner Vorschrift ästhetisch oder kritisch auszusehen, nicht zu verkennen. Aber weil ihm die Übung darin abging, so schnitt er so greuliche Grimassen, daß er einigemal während des Vorlesens die Aufmerksamkeit des ganzen Zirkels auf sich zog, und die Dame des Hauses mich teilnehmend fragte, ob mein Hofmeister nicht wohl sei?

Ich entschuldigte ihn mit Zahnschmerzen, die ihn zuweilen befallen, und glaubte alles wieder gut gemacht zu haben. Als aber Frau von Wollau, die ihm gegenüber saß, ihren Einfluß auf die Dichterin mitteilte, mußte das preciöse, geschraubte Wesen derselben dem alten Menschen so komisch vorkommen, daß er laut auflachte.

Wer jemals das Glück gehabt hat, einem eleganten Thee in höchst feiner Gesellschaft beizuwohnen, der kann sich leicht denken, wie betreten alle waren, als dieser rohe Ausbruch des Hohns erscholl. Eine unangenehme, totenstille Pause erfolgte, in welcher

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 264–265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)