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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Er entgegnete hierauf nichts, sprach vom Papst und dergleichen, kam aber immer wieder darauf zurück, mich durch eine Zwischenfrage nach Berlin, ins Haus seiner Tante zu verlocken. „Was wollen Sie nur immer wieder mit Berlin?“ fragte ich endlich, „ich war seit jenem Abend nicht mehr dort und reiste in dieser Zeit in Frankreich und England. Sehen Sie einmal in meinem Paß, welch ungeheure Tour ich in dieser Zeit gemacht habe!“

Er warf einen flüchtigen Blick hinein und errötete; „verzeihen Sie, Baron!“ rief er, indem er meine Hand ungestüm drückte; „vergeben Sie, ich hielt Sie für einen Spion meiner Tante.“

„Ihrer Tante? für einen Spion, den man Ihnen bis Rom nachschickt?“

„Ach, die Menschen sind zu keiner Thorheit zu gut. Ich halte mich etwa seit zwei Monaten wieder hier auf. Meine Verwandten toben, weil ich meinen Posten im Büreau des Ministers plötzlich und ohne Urlaub verlassen habe; sie bestürmten mich mit Briefen, ich kam nicht; sie wandten sich an die preußische Gesandtschaft hier; sie fand aber nichts Verdächtiges an mir und ließ mich ungestört meinen Weg gehen. Vor einigen Tagen schrieb mir ein Freund, ich solle auf meiner Hut sein, man werde einen Spion in meine Nähe senden, um alle meine Schritte zu bewachen.“

„Ist’s möglich? und warum denn dies alles?“

„Ach, es ist eine dumme Geschichte, eine Anordnung meines verstorbenen Vaters legt mir Pflichten auf, die – ein andermal davon – die ich nicht erfüllen kann. Und Sie, lieber Stobelberg, hielt ich für den Spion. Vergeben Sie mir doch?“

„Unter zwei Bedingungen“, erwiderte ich ihm. „Einmal, daß Sie mir erlauben, Sie recht oft zu begleiten, um der Spion Ihres Spion zu sein. Halten Sie mich nicht für indiskret, es ist wahre Teilnahme für Sie und der Wunsch, Ihnen nützlich zu werden. Sodann – teilen Sie mir, wenn es Ihnen anders möglich ist, den Schluß Ihres Abenteuers mit.“

„Den Schluß?“ rief er und lachte bitter, „den Schluß? Ich wünschte, es schlösse sich, könnte es auch nur mit meinem Leben [349] schließen. Doch kommen Sie, wir wollen unter jene Arkaden gehen. Die Künstler kommen um diese Zeit hieher, wir könnten nicht ungestört reden: wer weiß, ob man nicht einen von ihnen zu meinem Wächter ersehen hat.“


*


Ich folgte Otto von S… – so hieß der junge Mann – unter die Arkaden. Er legte seinen Arm in den meinigen, wir gingen eine Weile schweigend auf und ab; er schien mehr nachdenklich als zerstreut.

„Es ist etwas, was mir Vertrauen zu Ihnen einflößt“, hub er lächelnd an; „ich habe über den Ausspruch jener Damen in Berlin nachgedacht und finde ihn, so komisch er mir damals vorkam, dennoch bestätigt. Es ist mir in den paar Viertelstunden, die wir beisammen sind, als seien Sie ein Wesen, das ich längst kannte, als seien Sie schon jahrelang mein Freund. Und doch haben Sie nicht jenes Gutmütige, Ehrliche, was an den Deutschen sogleich auffällt, was bewirkt, daß man ihnen gerne vertraut; Sie haben für Ihre Jahre viel Beobachtungsgeist in Ihrem Auge und um Ihren Mund in gewissen Augenblicken einen Zug, der nicht immer das bestätigt, was Sie sagen wollten. Und dennoch fühle ich, daß mir der Zufall viel geschenkt hat, der Sie in jenes Haus führte, ich fühle auch, daß man Ihnen trauen kann, mein Lieber.“

„Ich halte nichts auf Gesichter und habe durch Erfahrung gelernt, daß sie nicht immer der Spiegel der Seele sind. Es freut mich übrigens, wenn etwas an mir ist, das Ihnen Vertrauen einflößt. Es ist vielleicht der rege Wunsch, Ihnen dienen zu können, was Ihnen einiges Vertrauen gibt?“

„Möglich; doch ich bin Ihnen einige Aufschlüsse über mich und mein Abenteuer hier in Rom schuldig. Ich erzählte Ihnen, wie ich mit Luise von Palden bekannt wurde –“

„Erlauben Sie, nein! diesen Namen höre ich zum erstenmal. Sie erzählten uns, daß Sie eine junge Dame in den Lamentationen der Sixtinischen Kapelle kennen lernten, die Ihre ganze Aufmerksamkeit erregte. Sie wurden von ihr mit einem andern

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 348–349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_176.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)