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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Mein Nachbar wurde wieder finster, seine roten Wangen röteten sich noch mehr, und die ansehnliche Breite seines Gesichtes erweiterte sich noch durch wilden Trotz, der in ihm wütete. Er zog den Kopf tief in die Schultern und blitzte das Kaninchen hin und wieder mit einem grimmigen Blick an. Er hatte nie so große Ähnlichkeit mit einem angenehmen Froschjüngling, der an einem warmen Juniabend trauernd auf dem Teichel sitzt, als in diesem Augenblicke.

Graf Rebs bemerkte dies. Mit angenehmer Herablassung, wobei er das r noch mehr schnurren ließ als zuvor, sprach er: „Werter Monsieur Zwerner. Sie dürfen aus dem Schlag mit dem Jockofächer keine argen Folgerungen ziehen. Es ist nur eine Façon de parler unter Leuten von gutem Ton. Wegen meiner dürfen Sie ruhig sein. Zwar solange man jung ist“, fuhr er fort, indem er den Halskragen höher heraufzog und schalkhaft daraus hervorsah, wie das Kaninchen aus dem Busch, „zwar solange man jung ist, macht man sich hie und da ein Späßchen. Aber ein ganz anderer Gegenstand fesselt mich jetzt, Liebster! Haben Sie schon die Nichte des englischen Botschafters gesehen, die seit drei Tagen hier in Frankfurt ist?“

„Nein“, antwortete mein Nachbar, leichter atmend.

„Oh, ein deliziöses Kind! Augenbraunen wie, wie – wie mein Rock hier, einen Mund zum Küssen und in dem schönen Gesicht so etwas Pikantes, ich möchte sagen so viel englische Rasse. Nun, wir sind hier unter uns, ich kann Sie versichern, es ist auffallend, aber wahr, ich sollte es nicht sagen, es beschämt mich, aber auf Ehre, Sie können sich drauf verlassen, obgleich es ein ganz komischer Fall ist, übrigens hoffe ich, mich auf Ihre Diskretion verlassen zu können; nein, es ist wirklich auffallend, in drei Tagen …“

„Nun so bitte ich Sie doch um Gotteswillen, Herr Graf, was wollen Sie denn sagen?“

Es war ein eigener Genuß, das Kaninchen in diesem Augenblick anzusehen. Ein Gedanke schien ihn zu kitzeln, denn er kniff die Äuglein zu, sein Kinn verlängerte sich, seine Nase bog sich abwärts nach den Lippen, und sein Mund war nur noch eine dünne, [419] zarte Linie; dazu arbeitete er mit dem zierlich gekrümmten Rücken und den Schulterblättern, als wolle er anfangen zu fliegen, und mit den abgelebten Knöchlein seiner Finger fuhr er auf dem Tisch umher. Noch einmal mußte der Seufzer ihn ermuntern, sein Geheimnis preiszugeben, bis er endlich hervorbrachte: „Sie ist in mich verliebt. Sie staunen; ich kann es Ihnen nicht übelnehmen, auch mir wollte es anfangs sonderbar bedünken, in so kurzer Zeit; aber ich habe meine sicheren Kennzeichen, und auch andere haben es bemerkt.“

„Sie Glücklicher!“ rief der Seufzer nicht ohne Ironie, „wo Sie nur hintippen, schlagen Ihnen Herzen entgegen; übrigens rate ich, diese Engländerin ernstlicher zu verfolgen, bedenken Sie, eine so solide Partie –“

„Merke schon, merke schon“, entgegnete Rebs mit schlauem Lächeln, „es ist Ihnen um Rebekka, Sie wollen, ich solle dort gänzlich aus dem Felde ziehen. Solide Partie! Sie werden doch nicht meinen, daß ich schon heiraten will? Gott bewahre mich! Aber wegen Rebekkchen dürfen Sie ruhig sein; ich ziehe mich gänzlich zurück. Und sollte vielleicht eine vorübergehende Neigung in dem Mädchen – Sie verstehen mich schon – das wird sich bald geben, ich glaube nicht, daß sie mich ernstlich geliebt hat.“

„Ich glaube auch nicht“, entgegnete der Seufzer mit einem Ton, in welchen sich bittere Ironie mit Grimm mischte. Die Gesellschaft stand auf, wir folgten. Graf Rebs tänzelte lächelnd zu den Damen, welchen er während der Tafel so zärtliche Blicke zugeworfen; ich aber folgte dem unglücklichen Seufzer.


*  *  *


2) Trost für Liebende.

„Was war doch dies für ein sonderbarer Herr?“ fragte ich meinen Nachbar, indem ich mich dicht an ihn anschloß. „Findet er wirklich bei den Damen so sehr Beifall, oder ist er ein wenig verrückt?“

„Ein Geck ist er, ein Narr!“ rief der Seufzende, indem er mit dem Kopf aus den Schultern herausfuhr und die Arme umherwarf;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 418–419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_211.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)