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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Der Gott meiner Väter thue mir dies und das!“ rief er feierlich; „so ich nur meinem Nachbar oder seinem Weib, oder seinem Sohn, oder seiner Tochter das Geringste –“

„Schon gut! Ich traue auf Ihre Diskretion; – kurz, so viel kann ich Ihnen sagen, daß nächstens eine bedeutende Krisis eintreten wird; ganz zu allernächst. Für oder gegen wen darf ich nicht sagen; doch Herr von Zwerner –“

Von Zwerner?“

„Nun, ich nenne ihn so, man weiß ja nicht, was geschieht; an ihn war ich besonders empfohlen vom Fürsten, und ich glaube, wenn ich anders richtig schließe, er muß in den nächsten Tagen Kuriere aus Wien bekommen.“

„Der Zwerner?! Ei, ei! Wer hätte das gedacht! Zwar ich sagte immer, hinter dem steckt etwas; geht so tiefsinnig, kalkulierend umher, hat wahrscheinlich nicht umsonst so unsinnig viele Metalliques gekauft; ei, sehe doch einer! Hält sich Kuriere mit Wien! Und wenn man fragen darf, es handelt sich wohl um das Ultimatum mit der Pforte?“

„Ja.“

„Ei, darf man fragen? Wie ist es ausgefallen? Hat er eingewilligt, der Efendi? Hat er?“

„Mein Herr Simon, ich bitte –“

„O, ich verstehe, ich verstehe, Sie wollen es nicht sagen, aus Politik, aus Politik, aber er hat, er hat?“

„Trauen Sie auf nichts, ich warne Sie, auf keine Nachricht trauen Sie als auf authentische. Der Herr dort weiß vielleicht mancherlei und hat nicht das drückende Stillschweigen eines Diplomaten zu beobachten.“

„Ei, hätte ich das in meinem Leben gedacht, Kuriere von Wien, und der Zwerner aus Dessau; zwar er ist ein solides Haus, das ist keine Frage, aber denn doch nicht so außerordentlich. Ob sich wohl was mit ihm machen ließe?“ setzte er tiefer nachsinnend hinzu, indem er seine Nase herunter gegen den Mund bog und das lange Kinn aufwärts drückte, daß sich diese beiden reichen Glieder begegneten und küßten. Dies war der Moment, wo er anbeißen mußte, denn er nagte schon am Köder. Ich gab dem [433] Seufzer aus Dessau einen Wink, sich dem Papa zu nähern, und nahm seinen Platz bei der Gazelle des Morgenlandes ein.


*  *  *


4) Das gebildete Judenfräulein.

Wie war sie graziös, das heißt geziert, wie war sie artig, nämlich kokett, wie war sie naiv, andere hätten es lüstern genannt.

„Ich liebe die Tiplomattiker“, sagte sie unter anderem mit feinem Lächeln und vielsagendem Blick; „es is so etwas Feines, Jewandtes in ihren Manieren; man sieht ihnen den Mann von jutem Jeschmack schon von die Ferne an, und wie angenehm riechen sie nach Eau de Portugal!

„O gewiß, auch nach Fleur d’Orange und dergleichen. Wie nehmen sich denn die hiesigen Diplomaten? kommen sie viel unter die Leute?“

„Nun, sehen Sie, wie das nun jeht, die älteren Herren haben sechs bis sieben Monate Ferien und reisen umher. Die jüngeren aber, die indessen hier bleiben und die Geschäfte treiben, sie müssen Pässe visieren, sie müssen Zeitungen lesen, ob nichts Verfängliches drein is, sie müssen das Papier ordentlich zusammenlegen für die Sitzungen; nun, was nun solche junge Herren Tiblomen sind, das sein janz scharmante Leute, wohnen in die Chambres garnies, essen Tables d’hôte, jehen auf die Promenade schön ausstaffiert comme il faut, haben zwar jewöhnlich kein Jeld nich, aber desto mehr Ansehen.“

„Da haben Sie einen herrlichen Shawl umgelegt, mein Fräulein, ist er wohl echt?“

„Ah, jehen Sie doch! Meinen Sie, ich werde etwas anderes anziehen, als was nicht janz echt ist? Der Shawl hat mir jekostet achthundert Gulden, die ich in die Rothschildischen Los gewunnen. Und sehen Sie, dieses Kollier hier kostet sechzehnhundert Gulden, und dieser Ring zweitausend; ja, man jeht sehr echt in Frankfort, das heißt, Leute von den jutem Ton wie unsereine.“

„Ach, was haben Sie doch für eine schöne, gebildete Sprache, mein Fräulein! Wurden Sie etwa in Berlin erzogen?“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 432–433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_218.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)