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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

sich dennoch zur besonderen Ehre, einen so erleuchteten Schwiegersohn zu bekommen. Ja, er sah es als eine glückliche Spekulation an, ihn durch Rebekka gefangen zu haben. Er sah ihn als eine prophetische Spekulationsmaschine an, die ihn in kurzer Zeit zum reichsten Mann Europas machen mußte; denn, wenn er immer mit seinem Schwiegersohn zugleich kaufte oder verkaufte, glaubte er nie fehlen zu können.

Fräulein Rebekka ging ohne vieles Sträuben in die Bedingungen ein, die ihr der Zärtliche auferlegte; da er eine gewisse Abneigung verspürte, ein Jude zu werden, so hielt er es für notwendig, daß sie sich taufen lasse. Sie nahm schon folgenden Tages insgeheim Unterricht bei dem Herrn Pastor Stein und gab dafür auf einige Zeit ihre Klavierstunden auf, wobei, wie sie behauptete, noch etwas Erkleckliches profitiert würde, da sie dem Klaviermeister einen Thaler für die Stunde hatte bezahlen müssen. Sie selbst legte dafür dem Dessauer die Bedingung auf, daß er sich für einige hundert Gulden in den Adelsstand erheben lassen und in dem „jöttlichen Frankfort“ leben müsse.

Er ging es freudig ein und überließ mir dieses diplomatische Geschäft. Um nun auch von mir zu reden, so traf pünktlich ein, was ich vorausgesehen hatte. Der Seufzer beschwichtigte fürs erste sein Gewissen, das ihm allerlei vorwerfen mochte, z. B. daß das ganze Geschäft unehrlich und nicht ohne Hülfe des Teufels habe zu stande kommen können. Sobald er mit dieser Beschwichtigung fertig war, war auch seine Dankbarkeit verschwunden. Weil ihn alles als den sublimsten Kopf, den scharfsinnigen Denker pries, glaubte er ohne Zaudern selbst daran, wurde aufgeblasen, sah mich über die Achsel an und erinnerte sich meiner sehr gütig als eines Menschen, mit welchem er im Weißen Schwanen einigemal zu Mittag gespeist habe.

Was mich übrigens am meisten freute, war, daß er die Strafe seines Undanks in sich und seinen Verhältnissen trug. Es war vorauszusehen, daß seine prophetische Kraft, sein spekulativer Geist sich nicht lange halten konnten. Mißglückten nur erst einige Spekulationen, die er, auf sein blindes Glück und seinen noch blinderen Verstand trauend, unternahm, verlor er erst einmal [449] fünfzig- oder hunderttausend und zog seinen Schwiegerpapa in gleiche Verluste, so fing die Hölle für ihn schon auf Erden an.

Rebekkchen, das liebe Kind, sah auch nicht aus, als wollte sie mit dem neuen Glauben auch einen neuen Menschen anziehen. War sie erst „Gnädige Frau von Zwerner“, so war zu erwarten, daß die Liebesintrigen sich häufen werden; junge wohlriechende Diplomaten, alte Sünder wie Graf Rebs, fremde Majors mit glänzenden Uniformen waren dann willkommen in ihrer Loge und zu Hause, und der Dessauer hatte das Vergnügen, zuzuschauen. Und wie wird dieser sanfte Engel Rebekka sich gestalten zur Furie, wenn die spekulative Kraft ihres Eheherrn nachläßt und damit zugleich sein Vermögen, wenn man das glänzende Hotel in der Zeile, die Loge im ersten Rang, die Equipage und die hungernden Liebhaber samt der köstlichen Tafel aufgeben, wenn man nach Dessau ziehen muß in den alten Laden des Hauses Zwerner und Komp.; wenn die gnädige Frau herabsinkt aus ihrem geadelten Himmel und zur ehrlichen Kaufmannsfrau wird, wenn man den Gemahl statt mit Papieren, wie es nobel ist und groß, mit Ellenwaren und Bändern ganz klein und unnobel handeln sieht! Welche Perspektive!!

Doch am vierten Pfingstfeiertag 1826 dachte man noch nicht an dergleichen im Hause des Herrn Simon in der neuen Judenstraße. Da war ein Hin- und Herrennen, ein Laufen, ein Kochen und Backen; es wurde ungemein viel Gänseschmalz verbraucht, um koscheres Backwerk zu verfertigen; ein Hammel wurde „geschächt“, um köstliche Ragouts zu bereiten.

Der geneigte Leser errät wohl, was vorging in dem gesegneten Hause? Nämlich nichts Geringeres als die Verlobung des trefflichen Paares. Die halbe Stadt war geladen und kam. Hatte denn der alte Simon nicht treffliche alte Weine? Speiste man bei ihm, das Gänsefett abgerechnet, nicht trefflich? Hatte er nicht die schönsten jüdischen und christlichen Fräulein zusammen gebeten, um die Gesellschaft zu unterhalten durch geistreiche Spiele und herrlichen Gesang?

Auch Graf Rebs, das treffliche Kaninchen, war geladen, und nur das brachte ihn einigermaßen in Verlegenheit, daß nicht weniger

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 448–449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_226.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)