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den Ruf einer jungen Dame tapfer benagte, ein wenig einschlagen; er rückte, nur um die giftigen Bemerkungen nicht zu hören, um ein Fenster weiter hinauf. Aber hier kam er vom Regen in die Traufe. Frau von Schulderoff setzte dort ihrem Sohn, dem Dragonerlieutenant, weitläuftig auseinander, daß er, um den gesunkenen Glanz ihres Hauses wieder auf den Strumpf zu bringen, notwendig eine gute, sehr gute Partie machen müsse, und dazu sei die Ida ganz wie gemacht.

Dem jungen Schulderoff, der neben dem gesunkenen Glanz seines Hauses bei Juden und Christen einige Tausend Thälerchen mehr stehen hatte, als sein Gage-Abzug auf siebzig Jahre wahrscheinlicherweise aufwiegen konnte, schien mit dem Vorschlag ganz zufrieden; nur das Wie wollte ihm nicht recht einleuchten.

Aber die gnädige Mama wußte Rat: „Erstens: recht oft mit ihr getanzt, namentlich im Kotillon recht oft geholt. Das heißt Attention beweisen, das Mädchen wird dann mit dir aufgezogen, sie wird aufmerksam auf dich. Zweitens: morgens 10 Uhr im kurzen Galopp am Haus vorbei; dort verlierst du im Staunen über sie die Reitpeitsche; du voltigierst ja so gut, hältst also nicht an, sondern herab vom Gaul, Peitsche ergriffen, wieder hinauf, ein Feuerblick dem Fräulein zugeworfen und davon im gestreckten Galopp.

Wenn nur ihr Herzchen aus Angst für dich einmal schneller pulsiert, dann hast du sie schon im Sack. Drittens: in einer schönen Nacht mit der ganzen Regimentsmusik vors Haus; einige mutige Stücke, einige zärtliche Arien aufgespielt, und sie kommt hinter die Jalousien, darauf wette ich meinen ganzen Schmuck, der jetzt zufällig bei Levi ist. Einige Kameraden thun dir schon den Gefallen und gehen mit; sie rufen: ‚Schulderoff, Schulderoff, wo steckst du denn? Ach siehe, der arme Junge weint.‘ – ‚Ach laßt mich, tapfere Kameraden‘, antwortest du, ‚mir ist so weh und so wohl in ihrer Nähe.‘ So kommt es in allen Ritterbüchern, wo der Adel noch allein liebte und die dummen Bürgerlichen noch kein Geld hatten.“

„Auf Ehre, Mama, Sie haben recht“, antwortete der Lieutenant und wichste sich den Schnurrbart; „sehen Sie, dann kann ich auch so angr–.“

[35] Emil wurde, er wußte nicht warum, ganz bange ums Herz, als er den Eroberungsplan des Wildfangs hörte, er rückte um einige Fenster weiter hinauf und war dort dem Gegenstand nahe, den die Schmähsucht der Weiber zu zerreißen, der Eroberungsgeist der Schulderoffs zu gewinnen suchte.

Obenan saß der Präsident; die feierliche Geschäftsmiene war zu Hause geblieben; er hatte den freundlichen, gefälligen Gesellschaftsmenschen angezogen und tafelte, zum großen Trost der jüngern Glieder seines Kollegiums, wie ein Junger.

Das behagliche, runde Gesicht durchblitzte oft schnell wie ein Gedanke ein satirisches Lächeln, wenn er und der Hofrat Ida zum süßen, brüsselnden Schaumwein nötigten.

Es war nicht möglich, etwas Liebreizenderes zu sehen als das Mädchen, eine ewig junge Hebe[WS 1] zwischen den alten, fröhlichen Herren. Es war jetzt ganz das wählige, mutwillige Kind wieder wie vor drei Jahren, wenn es dem Papa oder dem alten Hagestolz Berner auf dem Schoß saß; Madeirasekt und Xeres hatten ihr[WS 2], weil Berner keinen der schweren Weine über die Purpurbarrieren ihrer Lippen gelassen hatte, alles Blut in die Wangen getrieben; es zischte und gischte in ihren Adern so warm und wohlthuend, daß das Auge von Lust und Liebe strahlte und die rosige Tiefe des Schelmengrübchens alle Augenblicke sich zeigte. Der Champagner, den sie auf den Trimadeira setzte, war auch nicht aus seinen Kreidebergen geholt worden, um ein fröhlich-glühendes Engelsköpfchen abzukühlen, und einen in ewig wechselnder Wonne Flut und Ebbe wogenden Busen zur Ruhe zu bringen. Wußte sie doch selbst nicht, was sie so fröhlich machte! Die Rückkehr ins Vaterhaus allein war es nicht, auch nicht, daß die Blicke der jungen Freilinger Stadtkinder alle auf sie flogen, es war noch etwas anderes; war es nicht ein bleiches, wunderschönes Gesicht, das sich immer wieder ihrer Phantasie aufdrängte, das sie wehmütig durch Thränen anlächelte? Warum mußte er aber auch gehen, gerade als es zur Tafel ging, wo sie ihn hätte sehen und sprechen können –

„Ei, Kind!“ sagte der Präsident und weckte sie aus ihren Träumen, „da sitzest du schon eine geschlagene Glockenviertelstunde,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hebe ist die griechische Göttin der Jugend.
  2. Vorlage: ihn
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 34–35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_020.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)