Seite:De Wilhelm Hauff Bd 3 038.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

so viele Bildung und Kenntnisse, so viel anspruchslose Bescheidenheit bei drei Millionen Thalern; so hohe männliche Schönheit und doch nicht jenes eitle, gefallsüchtige Sichzeigenwollen, das schönen jungen Männern oft eigen ist – „Nein, es ist ein seltener Mensch und gewiß beinahe so viel wert als mein Idchen“, dachte er, „wenn die beiden erst einmal ein Paar –“ die Mondwirtin unterbrach ihn; mit zornglühendem Gesicht setzte sie sich hastig auf den Sessel, den Martiniz soeben verlassen hatte. „Nein, da traue einer den Männern“, wütete sie, „hätte ich doch mein Leben eingesetzt für diesen Herrn Grafen; hätte geglaubt, er wäre ein unschuldiges, reines Blut und kein so Bruder Lüderlich, die an jede Schürze tappen –“

„Nun, was ist denn geschehen“, unterbrach sie der aus allen Himmeln gefallene Hofrat; „was haben Sie denn, das Sie so aufbringt, Frauchen?“

„Was ich habe? Möchte da einem nicht die Galle überlaufen? So ein schöner, reicher Herr, wo es sich manche Dame zur Ehre rechnen würde, in nähere Bekanntschaft – geht auf nächtlichen, lüderlichen Wegen; glaubt, es sei hier in Freilingen auch so eine großstädtische Nachtpromenade; tief in seinen Mantel gehüllt, ist er zum Thorweg hinausgewischt mit dem alten Kuppler, dem Berrzwisl. Will haben, man solle das Haus offen lassen bis ein Uhr. Aber die Thüre schlage ich ihm vor der Nase zu, ich brauche keinen solchen Herrn im Haus, der bei Nacht und Nebel nicht weiß, wo er steckt!“

„Habe ich doch wunder geglaubt, was es gibt“, sagte der Hofrat, wieder freier atmend; „da dürfen Sie ruhig sein, der geht nicht auf schlimmem Wege; er macht noch einen durchaus ehrbaren Besuch; ich weiß wo, darf es aber nicht sagen.“

Die Wirtin sah ihn zweifelhaft an: „Ist es aber auch so?“ sprach sie freundlicher; „ist es auch so, und machen Sie mir keine Flausen vor? Doch Ihnen glaube ich alles aufs Wort, und ich ärgere mich nur, daß ich gleich so Schlimmes dachte; aber die Welt liegt jetzt im argen, unsern jungen Herren ist nicht mehr über die Straße zu trauen. Sagen Sie ihm aber um Gotteswillen nichts; ich glaube, er könnte mich mit einem einzigen Blick [71] verbrennen; es war ja lauter christliche Liebe zu meinem Nebenmenschen.“

Der Hofrat lächelte fein, indem er ihr die Hand zum Versprechen und zugleich zum Abschied bot; er jagte ihr alle Röte auf die hübschen Wangen, sie wußte nicht, wo sie hinsehen, ob sie lachen oder zürnen solle, denn schon im Fortgehen begriffen, wisperte er ihr ins Ohr: „Es war all nichts als lauter christliche, nebenmenschliche – Eifersucht!“



Gute Nachricht.

Man hätte glauben sollen, das Haus des Präsidenten sei ein großer Vogelbauer geworden, in welchem Nachtigallen, Kanarienvögel, Stärchen und alle Gattungen gefiederter Bewohner wären. Es hüpfte etwas Treppe auf, Treppe ab; ein süßes Stimmchen hörte man bald in gehaltenen, wehmütigen Tönen singen, bald in fröhlichen, scherzenden Rouladen[WS 1] jauchzen und jodeln wie die Kanarienhähnchen, bald zwitschern und plaudern wie Stärchen; aber Hähnchen, Nachtigallen und Stärchen, sie alle war in Einer Person Idchen, das vor Freude, vor Sehnsucht, vor Langerweile und Geschäftigkeit Treppe auf und ab flog, mit allen Menschen anband, alle auslachte, alle begrüßte und neckte, allen zugleich befahl und schalt.

Graf Martiniz hatte dem Vater eine Karte und den Empfehlungsbrief des Staatssekretärs geschickt; der alte Herr war mit beidem zu ihr gekommen und hatte sie förmlich um Rat gefragt, was nun zu beginnen sei; nach seiner Ansicht, wenigstens war es vor zwanzig Jahren noch so, mußte man den Fremden zum Mittagessen bitten, zwei Tage nachher zum Thee, nach zwei Tagen wieder zum Nachtessen, und vor seiner Abreise mußte ihm ein kleiner Hausball gegeben werden.

Das selige Mädchen drückte die Augen zu und biß die Purpurlippen zusammen, um ihre Freude nicht zu verraten; nach ihrer Ansicht, und das war endlich doch die vernünftigste, sollte man ihn auf Mittag zu einer Suppe laden, nachmittags setzte er sich dann zu ihr ans Klavier, abends trank er mit ihr Thee, und dann konnte ja ein kleiner Hausball mit einem Souper den seligsten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Eine Folge rollender, schnell auf- bzw. absteigender Noten, die auf einer Silbe gesungen wird.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 70–71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_038.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)