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von Sanden, die Sie aus der Residenz kennen müssen, ist sehr liiert mit dem Grafen, und ich fürchte, ich fürchte, die Gräfin kommt nicht zum Ziel!“

„Nicht zum Ziel?“ lachte der Kammerherr, „nicht zum Ziel? das wäre doch kurios, man spricht ja in allen Cercles von dieser Verbindung; die Gräfin nimmt zwar noch keine Gratulationen an, aber ihr Lächeln, mit dem sie es ablehnt, ist so gut als Bestätigung; und wenn er auch nicht wollte, er muß sie heiraten, denn er kann doch nicht unsern Hof vor den Kopf stoßen. Was wird er aber nicht wollen?! Bedenken Sie, die Gräfin ist so gut als anerkannt von unserm Hof, hat unleugbar mehr Gewicht als alle übrigen zusammen, ist schön, blühend, macht das beste Haus; er wäre ja ein Narr, wenn er nur den leisesten Gedanken hätte, sie auszuschlagen. Und Fräulein Ida? Nun, das soll mich doch wundernehmen, wenn die sich endlich einmal hat erweichen lassen. Unsere Herren in der Residenz knieten sich die Knie wund vor diesem Marmorengel; aber alles soll umsonst gewesen sein, zwar erzählte man sich allerlei von dem Rittmeister von Sporeneck; sie sollen aber gebrochen haben, weil sie seine Liaison mit der Aarstein erfuhr. Nun, Glück auf! wenn der Graf die zahm gemacht hat, dann paßt er zu der Gräfin, und ich sehe nicht ein, was dieses Verhältnis schaden könnte; die Gräfin Aarstein wird als Gemahlin des Polen ihre Liebhaber nebenher auch nicht aufgeben. Doch was schwatze ich; Ihr Onkel, Fräulein von Sorben, kann Ihnen über diese Sachen die beste Auskunft geben, denn ich müßte mich sehr irren, wenn er nicht die Hand dabei im Spiel hat.“ Der Reisewagen fuhr vor, der Kammerherr empfahl sich und ließ die beiden Damen in frohem Staunen und Verwunderung zurück.

„Arme Ida!“ sagte die Sorben spöttisch, „so viel Routine hast du denn doch noch nicht, daß du Geschmack daran finden könntest, die ‚Nebenbei‘ des Grafen Martiniz zu spielen. Nein! wie das Dämchen, das also in der Residenz die Spröde so schön zu spielen wußte, aufschauen wird, wenn der gute Mann im Mond, den sie schon ganz sicher in Ketten und Banden hat, wenn der amoroso Bleichwanioso auf einmal morgens verschwunden ist, am nächsten Posttag aber ein Paket einläuft mit Karten, [95] worauf Graf Martiniz mit seiner Gemahlin, verwitwete Gräfin von Aarstein deutlich zu lesen ist.“

„Nicht mit Gold ist sie zu bezahlen, diese Nachricht“, bemerkte die Schulderoff mit triumphierender Miene, „und um so mehr wird sie sich ärgern, daß es die Gräfin Aarstein ist, denn diese hat ihr ja, wie Sie hörten, auch den herzigen Jungen, den Sporeneck, abgespannt –“

„Sie kennen den Sporeneck, gnädige Frau?“ fragte die Sorben, und ihr gelbliches Gesicht schien tief über etwas nachzusinnen.

„Wie meinen Sohn“, versicherte jene; „wie oft war er auf Besuch bei uns in Schulderoff, als er in Garnison in Tranzow lag! Mich nimmt es nicht wunder, wenn er Ida kirre gemacht hat, denn wo lebt ein Mädchen, das er, wenn er es einmal auszeichnete, nicht für sich gewann!“

„Herrlich, das muß uns dienen“, fuhr das Fräulein fort; sie setzte auseinander, daß ihr scheine, als habe der Graf doch etwas zu tief angebissen bei Präsidents, und als wolle er vorderhand nicht an die Gräfin denken; da wolle sie nun ihren Onkel, den geheimen Staatsrat von Sorben, gehörig präparieren, und sie stehe davor, daß der Graf die längste Zeit im Mond logiert haben werde. Am besten wäre es, wenn man die Aarstein selbst in Freilingen haben könnte; doch sei dies bei dieser Jahreszeit nicht wohl möglich; darum solle auch Frau von Schulderoff Schritte thun. Sporeneck werde ihr schon die Gefälligkeit erweisen, auf einige Tage hieher zu kommen; seine Sache sei es, den Grafen recht eifersüchtig zu machen. Habe man diesen nur erst dahin, daß er nicht so ganz auf die Scheinheiligkeit Idas baue, so sei auch im übrigen bald geholfen.

Frau von Schulderoff umarmte die Rednerin stürmisch und ergänzte den Plan vollends – „und wenn der Graf aus dem Netz ist, wenn man dann fühlt, daß man sich doch ein wenig sehr prostituiert hat, dann ist auch mein Lieutenant wieder gut genug; aber dann soll er mir sie auch nicht nehmen, die stolze Prinzessin, als bis der Herr Papa Präsident mit seinen Friedrichsdors[WS 1] herausrückt und unsern Schulderoff wieder flott macht. Um die zümpferliche Schwiegertochter bekümmere ich mich denn nicht so viel, die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Preußische Goldmünzen (Wikipedia).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 94–95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_050.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)