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einzuwenden, und die Hochzeit wurde vor den Ohren des errötenden Mädchens auf die nächste Woche festgesetzt. Heute abend aber wollte Papa-Präsident große Gesellschaft geben und dort das junge Paar als Braut und Bräutigam präsentieren.



Das Soiree.

„Was aber der Präsident Sanden dick thut“, sagten die Freilinger, als jetzt die Lakaien in der Stadt umherflogen und zum Souper einluden. Die meisten dachten, es geschehe der Gräfin Aarstein zu Ehren, bei welcher er sich auf alle mögliche Weise zu insinuieren suchte, um später einmal Minister zu werden.

Als man aber abends in den Salon des Präsidenten trat, wurde man noch mehr von diesem „Dickethun“ überzeugt. Außer den prachtvollen Lüsters, die gewöhnlich bei Gesellschaften angezündet wurden, war eine ganze Galerie der geschmackvollsten Wandleuchter von Bronze angebracht, und Walratlichter, so durchsichtig und klar wie Glas, eine ganz nagelneue Erscheinung für Freilingen, strahlten ein Feuermeer von sich. Die Wände waren mit Festons von Blumen und grünen Zweigen geschmückt, die sich in den deckenhohen Spiegeln zu einem ganzen Wald von Kränzen und Guirlanden vervielfältigten. Ein ganzer Hausrat der prächtigsten Kristalls, Vasen, Teller, Becher, Platten, Schüsseln, Bouteillen blinkte mit seinen geschliffenen Figuren in tausend vielfarbigen Lichtern. Das schwerste Silber an Bestecken und Leuchtern ward heute aufgesetzt, und jedermänniglich war erstaunt über diese Pracht.

Einige aber, die feinere Nasen hatten als die übrigen, legten die Finger daran und klügelten hin und her, was dies alles zu bedeuten habe; denn man wußte so ziemlich allgemein, daß der alte Sanden ohne Not und wichtige Ursache nicht so viele Umstände mache. Doch aus seinem Gesicht konnte man nicht recht vernehmen, was er in petto habe. Er empfing seine Gäste höchst freundlich, aber zeremoniös, sprach mit keinem sehr viel und lange, sondern teilte sich überall und allen mit. Die Gräfin – nun, die kam endlich, sah aber nicht darnach aus, als ob ihr das Fest gehöre, [201] denn sie war, wie gewöhnlich, prachtvoll, aber nicht gerade festlich gekleidet.

Die einzigen von allen Gästen, die mit ihren Erwartungen so ziemlich am nächsten ans Ziel trafen, waren wohl Lieutenant Schulderoff und seine Kameraden. Sie waren seit der Duellgeschichte die eifrigsten Freunde des Polen geworden und hatten ihre geheime Schadenfreude daran, daß der Goldfisch wahrscheinlich der Aarstein, welche die Garnisonsoffiziere sehr über die Achsel angesehen und ganz obenhin behandelt hatte, entschlüpfen würde. „Wenn die Ida doch keinem von uns gehören soll“, hatte Schulderoff geäußert, „so gönne ich sie am liebsten dem Martiniz; er ist Soldat und, das muß man ihm lassen, brav wie der Teufel, stand er doch da, als die blaue Bohne auf ihn zusurrte, als wär’ es ein Schneeglöckchen, so kalt und fest habe ich in meinem Leben keinen sich schießen sehen. Und am Ende hatte er doch recht, denn Sporeneck räsonierte doch über die Ida, daß es mir selbst das Herz im Leib hat zerreißen wollen. Das kommt aber von niemand her als von der Aarstein, die den guten Jungen, den Sporeneck, zum Teufel moduliert hat, und nebenbei kommt es auch von meiner Frau Mama mit ihrer ewigen Planmacherei, mich unter die Haube zu bringen, und nebenbei auch von der falschen Katze, der Sorben, die gegen jedermann ergrimmt ist, wer nicht von ihren Reizen hingerissen wird.“

So urteilte der Lieutenant und mit ihm seine Kameraden; so sehr hatte die Uniform und der Orden auf Martiniz’ Brust die ganze Sache verändert.

Endlich war die ganze Gesellschaft beisammen. Man konversierte in dem festonnierten Saal, ehe man zu den Spieltischen ging, und die Gräfin hatte den größten Hof um sich, denn man dachte nicht anders, als sie müsse doch vielleicht die Königin des Festes sein. Es fehlte niemand mehr; doch ja, Martiniz und Ladenstein fehlten noch, die Gräfin suchte vergebens mit ihren rastlosen Blicken nach dem ersteren. Sie hatte eine tüchtige Schelte einstudiert, um ihn für seine Vernachlässigung zu strafen; überhaupt hatten sich ihr heute so sonderbare Gedanken aufgedrängt – der Graf, der sich doch sonst an sie angeschlossen, dem sie so

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 200–201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_103.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)