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der Dinge als dir ähnlich gefunden und geliebt hatte, aber die Entdeckung über das Geschlecht deiner Mutter führte mich in eine Irrbahn; ich sah in dir nur noch die ähnliche Tochter der schönen Laura, und oft, während ich neben dir saß, streifte mein Geist ferne, weithin nach – dir!“

„O Gott!“ rief Josephe, „ist es denn wahr, ist es möglich? Kannst du mich denn noch lieben?“

„Ob ich es kann? – Aber darf ich denn? Gott im Himmel, du heißt ja Frau von Faldner; sage mir nur um des Himmels willen, wie fügte sich dies alles? Wie hast du auch nicht ein einziges Mal mehr mich erwarten mögen?“


33.

Sie stillte ihre Thränen, sie faßte sich mit Mühe, um zu sprechen. „Siehe“, sagte sie, „es war, als ob ein feindliches Geschick alles nur so geordnet hätte, um mich recht unglücklich zu machen. Als du weg warst, hatte ich keine Freude mehr. Jene Abende mit dir waren mir so unendlich viel gewesen. Siehe, schon von dem ersten Moment an, als du in der lieben Muttersprache deinen Begleiter um Geld batest, von da an schlug mein Herz für dich; und als du mit so unendlichem Edelmut, mit so viel Zartsinn für uns sorgtest, ach, da hätte ich dich oft an mein Herz schließen und dir gestehen mögen, daß ich dich wie ein höheres Geschöpf anbete. Ich weiß nicht, was mir für dich zu thun zu schwer gewesen wäre; und wie groß, wie edel hast du dich gegen mich benommen! Du gingst, ich weinte lange, denn ein schmerzliches Gefühl sagte mir, daß es auf immer geschieden sei; acht Tage, nachdem du abgereist warst, starb meine arme Mutter sehr schnell. Was du mir damals noch gegeben, reichte hin, meine Mutter zu beerdigen und ihr Andenken nicht in Unehre geraten zu lassen. Eine Dame, es war die Gräfin Landskron, die in unserer Nachbarschaft wohnte und von uns Armen hörte, ließ mich zu sich kommen. Sie prüfte mich in allem, sie durchschaute die Papiere meiner Mutter, die ich ihr geben mußte, genau; sie schien zufrieden und nahm mich als Gesellschaftsfräulein an. Wir reisten. [367] Ich will dir nicht beschreiben, wie mein Herz blutete, als ich dieses Paris verlassen mußte; es fehlten nur noch vierzehn Tage, bis die Zeit um war, die du zu deiner Rückkehr bestimmtest; dann wäre ich am ersten auf den Platz gegangen, hätte dich noch einmal gesprochen, noch einmal von dir Abschied genommen! Es sollte nicht so sein, und als wir aus der St. Severinstraße über den wohlbekannten Platz der Ecole de Médecine hinfuhren, da wollte mein Herz brechen, und ich sagte zu mir: ‚Auf immer!‘ Eduard! Ich habe nie wieder von dir gehört, dein Name war mir unbekannt, du mußtest ja die Bettlerin längst vergessen haben; ich lebte von der Gnade fremder Leute, ich hatte manches Bittere zu tragen, ich trug es, es war ja nicht das Schmerzlichste! Als aber die Gräfin in diese Gegend auf ihr Gut zog, als Faldner sich um mich bewarb, als ich merkte, daß sie es gutmütig für eine gute Versorgung halte, vielleicht auch meiner überdrüssig war – nun – ich war ja nur ein einziges Mal glücklich gewesen, konnte nimmer hoffen, es wieder zu werden, das übrige war ja so gleichgültig – da wurde ich seine Frau.“

„Armes Kind! An diesen Faldner, warum denn gerade du mit so weicher Seele, mit so zartem Sinn, mit so viel gültigem Anspruch auf ein zum mindesten edleres Los, warum gerade du seine Frau? Doch es ist so. Josephe, ich kann, ich darf keinen Tag mehr hier sein; ich habe ihn, bei allem, was er Rohes haben mag, einst Freund genannt, bin jetzt sein Gastfreund, und wenn auch alles nicht wäre, wir dürfen ja nicht zusammen glücklich sein!“ Es lag ein unendlicher Schmerz in seinen Worten; er küßte die Augen der schönen Frau, nur um durch den Gram, der in ihnen wohnte, nicht noch weicher zu werden. „O, nur noch einen Tag“, flüsterte sie zärtlich. „Hab’ dich ja jetzt eben erst gefunden, und du denkst schon zu entfliehen; nur noch einen Morgen wie dieser. Siehe, wenn du weg bist, da verschließt sich wieder die Thüre meines Glücks auf immer; ich werde Hartes ertragen müssen, und da muß ich doch ein wenig Erinnerung mir aufsparen, von der ich zehren kann in der endelosen Wüste.“

„Höre, ich will Faldner alles gestehen“, sprach nach einigem Sinnen der junge Mann. „Ich will ihm alles vormalen, daß es

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 366–367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_186.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)