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Expeditionsrat ist – eine Falle, die er uns beiden legen wollte, der kluge Fuchs.“

„Wie verstehen Sie dies, Papa?“ fragte Gustav, dem es leichter ums Herz wurde, seit er ahnete, wie sein Vater die Sache aufnehme.

„Sieh’, Freund“, sprach der Alte zutraulicher, als er je gethan, „du wirst das Opfer dieser Kabale, aber so wahr ich dein Vater bin, du sollst es nicht lange sein. Dieser Jude denkt aber also: Verwehre ich dir, diese Stelle anzunehmen, weil du dadurch in übeln Geruch kommen könntest, so macht er es zu seiner Ehrensache, beklagt sich beim Herrn und ergreift die einzige Gelegenheit, die sich bot, mich zu zwingen, auch mein Amt aufzugeben. Er kennt mich, er weiß, daß er sowenig als der Herzog mich absetzen kann, er weiß auch, wer der alte Lanbek ist, nämlich – sein Feind. Nehmen wir die Stelle an, kalkulierte er weiter, so werden wir verdächtig bei allen, die das Bessere wollen. Der Vater, Konsulent der Landschaft, würde man denken, der Sohn – Expeditionsrat; gekauft hat ihm der Alte die Stelle nicht, und der Süß gibt bekanntlich nichts ohne großen Gewinn an Geld oder geheimem Einfluß, folglich – sind wir übergetreten zu dem Gewaltigen. So glaubt er, werden die Leute urteilen, und er hat es recht klug gemacht, aber er kennt mich nicht ganz; noch weiß ich, Gottlob! ein Mittel, uns das Vertrauen der Bessern zu erhalten, und du – wirst und bleibst Expeditionsrat; ändern sich die Verhältnisse, so wirst du wieder Aktuarius, und die Menschen erkennen dann deine Unschuld.“

„Aber Vater!“ sagte der junge Mann zaudernd, „Ihr Ruf ist felsenfest, aber der meinige? Wie lange wird es noch anstehen, bis die Verhältnisse sich ändern!“

„Sohn!“ erwiderte der Alte nicht ohne Rührung, „du siehst, wie dieses schöne Land bis in sein innerstes Mark zerrüttet ist; meinst du, es könne immer so fortgehen? – Glaube mir, ehe der Frühling ins Land kommt, muß es anders werden; schlechter kann es nimmer werden, aber besser. Darum glaube mir und vertraue auf Gott!“


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8.

Während der alte Lanbek noch so sprach und seinem Sohn Mut einzureden suchte, wurde die Hausglocke heftig angezogen, und bald darauf trat ein Offizier in das Zimmer, dem der Konsulent freundlich entgegeneilte. Wenn man das dunkelrote Gesicht, die freien, mutigen Züge und das kleine, aber scharfblickende Auge dieses Mannes sah, so konnte man die Sage von kühner Entschlossenheit und beinahe fabelhafter Tapferkeit, die er unter dem Herzog Alexander[1] und dem Prinzen Eugenius[2] bewiesen haben sollte, glaublich finden.

„Mein Sohn, der vormalige Aktuarius Lanbek“, sprach der Alte, „der Obrist von Röder[3], den du wenigstens dem Namen nach kennen wirst.“

„Wie sollte ich nicht“, erwiderte Gustav, indem er sich verbeugte; „wenn unsere Truppen von Malplaquet[4] und Peterwardein[5] erzählen, so hört man diesen Namen immer unter die ersten und glänzendsten zählen.“

„Zu viel Ehre für einen alten Mann, der nur seine Schuldigkeit gethan“, antwortete der Obrist; „aber Konsulent, was sagt Ihr dazu, daß der Jude jetzt auch uns ins Handwerk greift? Ich komme zu Euch eigentlich nur, um zu fragen: soll ich oder soll ich nicht?“


  1. Karl Alexander, der Vetter und Nachfolger des Herzogs Eberhard Ludwig, war Statthalter in Belgrad gewesen und übernahm 1733 die Regierung Württembergs. Er hatte mit großer Tapferkeit für Österreich gegen die Franzosen gekämpft, war in Wien zur katholischen Kirche übergetreten, begünstigte nun die ultramontanen Bestrebungen in seinem Lande und brachte aus dem wilden Kriegsleben lasterhafte Sitten und genußsüchtige Verschwendung mit. Am 12. März 1737 starb er plötzlich nach einem üppigen Feste.
  2. Franz Eugen von Savoyen (1663–1736), österreichischer Feldmarschall, war als Sieger vieler großer Schlachten gegen die Türken und Franzosen der Schrecken seiner Feinde.
  3. Gemeint ist wohl Erhard Ernst von Röder (1665–1743), der sich vielfach in den Kriegen gegen Frankreich und im spanischen Erbfolgekrieg ausgezeichnet hat und als preußischer Generalfeldmarschall starb.
  4. Das französische Dorf Malplaquet ist besonders bemerkenswert durch den Sieg, den hier im spanischen Erbfolgekrieg Prinz Eugen und Marlborough am 11. September 1709 über die Franzosen unter Villars erfochten.
  5. Bei Peterwardein in Ungarn schlug Prinz Eugen die Türken am 5. August 1716.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 414–415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_210.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)