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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Oberküchenmeister in die Küche eintrat, blieben sie alle regungslos stehen, und nur das Feuer hörte man noch knistern und das Bächlein rieseln.

„Was hat der Herr heute zum Frühstück befohlen?“ fragte der Meister den ersten Frühstückmacher, einen alten Koch.

„Herr, die dänische Suppe hat er geruht zu befehlen und rote Hamburger Klößchen.“

„Gut“, sprach der Küchenmeister weiter, „hast du gehört, was der Herr speisen will? Getraust du dich, diese schwierigen Speisen zu bereiten? Die Klößchen bringst du auf keinen Fall heraus, das ist ein Geheimnis.“

„Nichts leichter als dies“, erwiderte zu allgemeinem Erstaunen der Zwerg; denn er hatte diese Speisen als Eichhörnchen oft gemacht; „nichts leichter! Man gebe mir zu der Suppe die und die Kräuter, dies und jenes Gewürz, Fett von einem wilden Schwein, Wurzeln und Eier; zu den Klößchen aber“, sprach er leiser, daß es nur der Küchenmeister und der Frühstückmacher hören konnten, „zu den Klößchen brauche ich viererlei Fleisch, etwas Wein, Entenschmalz, Ingwer und ein gewisses Kraut, das man Magentrost heißt.“

„Ha! Bei St. Benedikt![1] Bei welchem Zauberer hast du gelernt?“ rief der Koch mit Staunen. „Alles bis auf ein Haar hat er gesagt, und das Kräutlein Magentrost haben wir selbst nicht gewußt; ja, das muß es noch angenehmer machen. O du Wunder von einem Koch!“

„Das hätte ich nicht gedacht“, sagte der Oberküchenmeister. „Doch lassen wir ihn die Probe machen! Gebt ihm die Sachen, die er verlangt, Geschirr und alles, und lasset ihn das Frühstück bereiten!“

Man tat, wie er befohlen, und rüstete alles auf dem Herde zu; aber da fand es sich, daß der Zwerg kaum mit der Nase bis an den Herd reichen konnte. Man setzte daher ein paar Stühle zusammen, legte eine Marmorplatte darüber und lud den kleinen Wundermann ein, sein Kunststück zu beginnen. In einem großen [43] Kreise standen die Köche, Küchenjungen, Diener und allerlei Volk umher und sahen zu und staunten, wie ihm alles so flink und fertig von der Hand ging, wie er alles so reinlich und niedlich bereitete. Als er mit der Zubereitung fertig war, befahl er, beide Schüsseln ans Feuer zu setzen und genau so lange kochen zu lassen, bis er rufen werde; dann fing er an zu zählen, eins, zwei, drei und so fort, und gerade als er Fünfhundert gezählt hatte, rief er: „Halt!“ Die Töpfe wurden weggesetzt, und der Kleine lud den Küchenmeister ein, zu kosten.

Der Mundkoch ließ sich von einem Küchenjungen einen goldenen Löffel reichen, spülte ihn im Bach und überreichte ihn dem Oberküchenmeister. Dieser trat mit feierlicher Miene an den Herd, nahm von den Speisen, kostete, drückte die Augen zu, schnalzte vor Vergnügen mit der Zunge und sprach dann: „Köstlich, bei des Herzogs Leben, köstlich! Wollet Ihr nicht auch ein Löffelein zu Euch nehmen, Aufseher des Palastes?“ Dieser verbeugte sich, nahm den Löffel, kostete und war vor Vergnügen und Lust außer sich. „Eure Kunst in Ehren, lieber Frühstückmacher, Ihr seid ein erfahrner Koch; aber so herrlich habt Ihr weder die Suppe noch die Hamburger Klöße machen können!“ Auch der Koch versuchte jetzt, schüttelte dann dem Zwerg ehrfurchtsvoll die Hand und sagte: „Kleiner! Du bist Meister in der Kunst. Ja, das Kräutlein Magentrost, das gibt allem einen ganz eigenen Reiz.“

In diesem Augenblick kam der Kammerdiener des Herzogs in die Küche und berichtete, daß der Herr das Frühstück verlange. Die Speisen wurden nun auf silberne Platten gelegt und dem Herzog zugeschickt; der Oberküchenmeister aber nahm den Kleinen in sein Zimmer und unterhielt sich mit ihm. Kaum waren sie aber halb so lange da, als man ein Paternoster spricht (es ist dies das Gebet der Franken, o Herr, und dauert nicht halb so lange als das Gebet der Gläubigen), so kam schon ein Bote und rief den Oberküchenmeister zum Herrn. Er kleidete sich schnell in sein Festkleid und folgte dem Boten.

Der Herzog sah sehr vergnügt aus. Er hatte alles aufgezehrt, was auf den silbernen Platten gewesen war, und wischte sich eben den Bart ab, als der Oberküchenmeister zu ihm eintrat.



  1. St. Benedikt, um 480 in Nursia bei Spoleto geboren, 21. März 543 gestorben, durch das von ihm 528 gegründete Kloster Monte Cassino der Stifter des Benediktinerordens.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891–1909, Seite 42–43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)