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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

für sein Leben, denn sie waren ja nur zu zwei und konnten gegen bewaffnete Räuber gar wenig ausrichten. Oft gereute es ihn, daß er dem Zirkelschmidt gefolgt war, noch eine Station zu gehen, statt am Eingang des Waldes über Nacht zu bleiben.

„Und wenn ich heute nacht totgeschlagen werde und ums Leben und alles komme, was ich bei mir habe, so ist’s nur deine Schuld, Zirkelschmidt, denn du hast mich in den schrecklichen Wald hereingeschwätzt.“

„Sei kein Hasenfuß“, erwiderte der andere, „ein rechter Handwerksbursche soll eigentlich sich gar nicht fürchten. Und was meinst du denn? Meinst du, die Herren Räuber im Spessart werden uns die Ehre antun, uns zu überfallen und totzuschlagen? Warum sollten sie sich diese Mühe geben? etwa wegen meines Sonntagsrocks, den ich im Ranzen habe, oder wegen des Zehrpfennigs von einem Taler? Da muß man schon mit vieren fahren, in Gold und Seide gekleidet sein, wenn sie es der Mühe wert finden, einen totzuschlagen.“

„Halt! hörst du nicht etwas pfeifen im Wald?“ rief Felix ängstlich.

„Das war der Wind, der um die Bäume pfeift, geh nur rasch vorwärts, lange kann es nicht mehr dauern.“

„Ja, du hast gut reden wegen des Totschlagens“, fuhr der Goldarbeiter fort. „Dich fragen sie, was du hast, durchsuchen dich und nehmen dir allenfalls den Sonntagsrock und den Gulden und dreißig Kreuzer. Aber mich, mich schlagen sie gleich anfangs tot, nur weil ich Gold und Geschmeide mit mir führe.“

„Ei, warum sollten sie dich totschlagen deswegen? Kämen jetzt vier oder fünf dort aus dem Busch, mit geladenen Büchsen, die sie auf uns anlegen, und fragten ganz höflich: ‚Ihr Herren, was habt ihr bei euch, und machet es euch bequem, wir wollen’s euch tragen helfen‘, und was dergleichen anmutige Redensarten sind; da wärest du wohl kein Tor, machtest dein Ränzchen auf und legtest die gelbe Weste, den blauen Rock, zwei Hemder und alle Halsbänder und Armbänder und Kämme und was du sonst noch hast höflich auf die Erde und bedanktest dich fürs Leben, das sie dir schenkten?“

„So? meinst du“, entgegnete Felix sehr eifrig, „den Schmuck [117] für meine Frau Pate, die vornehme Gräfin, soll ich hergeben? eher mein Leben; eher lass’ ich mich in kleine Stücke zerschneiden. Hat sie nicht Mutterstelle an mir vertreten und seit meinem zehnten Jahr mich aufziehen lassen, hat sie nicht die Lehre für mich bezahlt und Kleider und alles? Und jetzt, da ich sie besuchen darf und etwas mitbringe von meiner eigenen Arbeit, das sie beim Meister bestellt hat, jetzt, da ich ihr an dem schönen Geschmeide zeigen könnte, was ich gelernt habe, jetzt soll ich das alles hergeben und die gelbe Weste dazu, die ich auch von ihr habe? nein, lieber sterben, als daß ich den schlechten Menschen meiner Frau Pate Geschmeide gebe!“

„Sei kein Narr!“ rief der Zirkelschmidt; „wenn sie dich totschlagen, bekommt die Frau Gräfin den Schmuck dennoch nicht; drum ist es besser, du gibst ihn her und erhältst dein Leben.“

Felix antwortete nicht; die Nacht war jetzt ganz heraufgekommen, und bei dem ungewissen Schein des Neumonds konnte man kaum auf fünf Schritte vor sich sehen; er wurde immer ängstlicher, hielt sich näher an seinen Kameraden, und war mit sich uneinig, ob er seine Reden und Beweise billigen sollte oder nicht. Noch eine Stunde beinahe waren sie so fortgegangen, da erblickten sie in der Ferne ein Licht. Der junge Goldschmidt meinte aber, man dürfe nicht trauen, vielleicht könnte es ein Räuberhaus sein; aber der Zirkelschmidt belehrte ihn, daß die Räuber ihre Häuser oder Höhlen unter der Erde haben, und dies müsse das Wirtshaus sein, das ihnen ein Mann am Eingang des Waldes beschrieben.

Es war ein langes, aber niedriges Haus, ein Karren stand davor, und nebenan im Stall hörte man Pferde wiehern. Der Zirkelschmidt winkt seinem Gesellen an ein Fenster, dessen Laden geöffnet waren. Sie konnten, wenn sie sich auf die Zehen stellten, die Stube übersehen. Am Ofen in einem Armstuhl schlief ein Mann, der seiner Kleidung nach ein Fuhrmann und wohl auch der Herr des Karren vor der Türe sein konnte. An der andern Seite des Ofens saßen ein Weib und ein Mädchen und spannen; hinter dem Tisch an der Wand saß ein Mensch, der, ein Glas Wein vor sich, den Kopf in die Hände gestützt hatte, so daß sie sein Gesicht nicht sehen konnten. Der Zirkelschmidt aber wollte

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Leipzig., Wien,: Bibliographisches Institut, 1891-1909, Seite 116-117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)