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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Das haben Sie gut gemacht!“ rief der Major lachend, „also die Furcht vor der Chronique scandaleuse hat die Gespensterfurcht und das Grauen vor den Geheimnissen der Natur überwunden?“

„Jawohl, Sophie ist außer sich vor Freuden, daß sie ihren Willen hat. Ich bin gerade auf dem Weg zum Regisseur der Oper; ich soll ihm vierhundert Taler bringen, daß die Aufführung auch in pekuniärer Hinsicht keiner Schwierigkeit unterworfen sein möchte, und Sie müssen mich zu ihm begleiten.“

„Aber wird es nicht auffallen, wenn Sie im Namen der Prinzessin diese Summe überbringen?“

„Dafür ist gesorgt; wir bringen es als Kollekt von einigen Kunstfreunden; stellen Sie einen Dilettanten oder Enthusiasten vor, oder was in unseren Kram paßt. Er wohnt nicht weit von hier und ist ein alter, ehrlicher Kauz, den wir schon gewinnen wollen. Nur hier um die Ecke, Freund; sehen Sie dort das kleine grüne Haus mit dem Erker.“


5.

Der Regisseur der Oper war ein kleiner, hagerer Mann, er war früher als Sänger berühmt gewesen und ruhte jetzt im Alter auf seinen Lorbeeren. Er empfing die Freunde mit einer gewissen künstlerischen Hoheit und Würde, welche nur durch seine sonderbare Kleidung etwas gestört wurde; er trug nämlich eine schwarze Florentiner Mütze, welche er nur ablegte, wenn er zum Ausgehen die Perücke auf die Glatze setzte. Auffallend stachen gegen diese bequeme Hauskleidung des Alten ein moderner, enge anliegender Frack und weite, faltenreiche Beinkleider ab; sie zeigten, daß der Herr Regisseur trotz der sechzig Jährchen, die er haben mochte, dennoch für die Eitelkeit der Welt nicht abgestorben sei; an den Füßen trug er weite, ausgetretene Pelzschuhe, auf denen er künstlich im Zimmer herumfuhr, ohne sichtbar die Beine aufzuheben; den Fremden kam es vor, als fahre er auf Schlittschuhen.

„Ist mir bereits angezeigt worden, der allerhöchste Wunsch“, sagte der Regisseur, als ihn der Graf mit dem Zweck ihres Besuches bekannt machte, „weiß bereits um die Sache; an mir soll [295] es nicht fehlen, mein einziger Zweck ist ja, die allerhöchsten Ohren auf ergötzliche Weise zu delektieren, aber – aber, ich werde denn doch submissest wagen müssen, einige Gegenvorstellungen zu exhibieren.“

„Wie? Sie wollen diese Oper nicht geben?“ rief der Graf.

„Gott soll mich behüten, das wäre ja ein offenbares Mordattentat auf die allerhöchste Familie! Nein, nein! wenn mein Wort in der Sache noch etwas gilt, wird dieses unglückliche Stück nie gegeben.“

„Hätte ich doch nie gedacht“, entgegnete der Graf, „daß ein Mann wie Sie von Pöbelwahn befangen wäre. Mit Staunen und Bewunderung vernahm ich schon in meiner frühesten Jugend in fernen Landen Ihren gefeierten Namen; Sie wurden die Krone der Sänger genannt, ich brannte vor Begierde, diesen Mann einmal zu sehen. Ich bitte, verkleinern Sie dieses ehrwürdige Bild nicht durch solchen Aberwitz.“

Der Alte schien sich geschmeichelt zu fühlen, ein anmutiges Lächeln zog über seine verwitterten Züge, er steckte die Hände in die Taschen und fuhr auf seinen Pelzschuhen einigemal im Zimmer auf und ab. „Allzugütig, allzuviel Ehre!“ rief er; „ja wir waren unserer Zeit etwas, wir waren ein tüchtiger Tenor! jetzt hat es freilich ein Ende. Aberglaube belieben Sie zu sagen; ich würde mich schämen, irgend einem Aberglauben nachzuhängen; aber wo Tatsachen sind, kann von Aberglauben nicht die Rede sein.“

„Tatsachen?“ riefen die Freunde mit einer Stimme.

„O ja, verehrte Messieurs, Tatsachen. Sie scheinen nicht aus hiesiger Stadt und Gegend zu sein, daß Sie solche nicht wissen?“ –

„Ich habe allerdings von einem solchen Märchen gehört“, sagte der Major; „es soll, wenn ich nicht irre, jedesmal nach Othello brennen, und –“

„Brennen? daß mir Gott verzeih’; ich wollte lieber, daß es allemal brennt; Feuer kann man doch löschen, man hat Brandassekuranzen, man kann endlich noch solch einen Brandschaden zur Not ertragen; aber sterben? nein, das ist ein weit gefährlicherer Kasus.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891-1909, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)