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Auch die Griechen also schlossen den Spott vom Epigramm nicht aus: denn warum sollten unter allen Gegenständen der Welt gerade Narren die einzigen seyn, die keine auszeichnende Aufschrift verdienten? da sie sich doch selbst so oft mühsam vordrängen, um ausgezeichnet zu werden. Leider bietet sich uns daher diese Gattung der Epigramme am meisten dar: Die Pointe springt uns gleichsam fertig ins Gesicht, und man hat oft Mühe, den Stein der uns aus einer plumpen Hand zuflog, wie jener Dervisch, ruhig bei sich zu stecken, wenn man fühlt, daß vom Bogen zurückgeschnellt, er eine viel treffendere Wirkung thäte. Die Großmuth des Dervisch ist indessen doch das Beste und mich dünckt, es war Metastasio, der auch aufs bitterste gereizt, zwar sein Sinngedicht machte, es einem Freunde vorlas, aber sodann gleich verbrannte: denn wie oft hat ein nicht übel gemeinter loser Einfall Feindschaften erweckt und Nachtheile befördert, die nachher lange Jahre nicht wegbannen konnte. Je treffender der Pfeil war, desto

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_166.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)