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Der Dichter, sehen wir, fürchtet bei dem jungen Helden, der die Bahn seines Ruhms antritt, die Vorzüge seiner edeln Natur am meisten und giebt ihm also die strenge Göttin, ohne welche das glänzendste Glück eben die gefährlichste Täuscherin wird, zur Seite. Dahin zielen so viel goldne Sittensprüche der Griechen, die in ihrer Moral immer auf die Sophrosyne, d. i. auf eine weise Nüchternheit und Mässigung des Gemüths drangen. Da sie in ihrer schönen Sehart menschlicher Dinge diese zum Mittelpunkt machten und die größten ihrer Weisen das ganze Lehrgebäude der Moral auf Gerechtigkeit, auf Ordnung in den Neigungen oder auf die Mittelstrasse zwischen zwei äußersten Enden, welches beide Laster seyn, bauten: so konnten es nicht fehlen, daß auch ohne die Nemesis zu nennen, sie ihren Zaum und ihr Maas immer im Gesicht behielten, ja nicht oft genug an die Folgen erinnern konnten, die aus der kleinsten Ueberschreitung diesseits und jenseits folgen. Ihrem klaren Auge war es nicht entgangen, daß ausser jenen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_253.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)