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da uns Ovid die Gebräuche desselben ausführlich beschreibt: so bleibt kein Zweifel, daß selbst der Pöbel des Volks und der Codex dieses Festes die unruhigen Geister nicht als Knochenmänner sondern als leichte Schatten behandelt habe. a)[1] So war auch das Fest entstanden: der erschlagene Remus, der erste römische Lemur, erschien als ein blutiger Schatte und gab die Gebräuche seiner Aussöhnung an. b)[2] Auch ist mir unter Griechen und Römern keine Erscheinung eines Abgeschiednen, keine Beschreibung des Schattenreichs, ja selbst kein grausendes Schreckgespenst bekannt, das an dieser Beingestalt Antheil habe. Schatten gehen ins Reich des Pluto und Schatten erscheinen; aber auch in der Wohnung der Unterirrdischen haben die Abgeschiedenen ihre lebendige, ganze Gestalt, bis auf die Gesichtszüge, Wunden und Kleider, wie die Niederfahrt des Ulyßes, des Aeneas und alle Erscheinungen bei den Dichtern zeigen. Das Gespenst,


  1. a) Ovid. Fast. I. 5. v. 422. 425. 434. 439. 442. 443.
  2. b) ib. v. 457. 460.
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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)