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 Das Leben der Menschen.

Süß ist das Leben, doch ach, das Leben währet nicht ewig;
     Wenige Tage, so ists wie ein Gedanke dahin.
Immer wanket die bittere Fichte des menschlichen Hieseyns;
     glaub’ es, und immer trägt Blüthe der Jugend sie nicht.

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Schön ist die Rose, sie durftet mit zart-entknospetem Kelche

     lieblich; jedoch du weißt, daß sie in kurzem verblüht.
Also auch Du, im zärtlichen Schooße der Mutter Erzogner,
     Traue der Mutter Natur sanften Verzärtelung nicht.
Geh nicht sicher dahin, wie das Lamm mit hangendem Haupte

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     Sorglos weidet; es sind Heere der Wölfe dir nah.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 098. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_116.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)