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Es wäre sonderbar, daß was seiner Natur nach wahrhaft unsterblich ist, uns von Zeiten, Menschen und Schicksalen geraubt werden könnte; die Götter selbst können es nicht rauben.

Unsterblich nämlich, und allein unsterblich ist, was in der Natur und Bestimmung des Menschengeschlechtes, in seiner fortgehenden Thätigkeit, im unverrückten Gange desselben zu seinem Ziel, der möglichstbesten Ausarbeitung seiner Form, wesentlich liegt; was also seiner Natur nach fortdauren, auch unterdrückt immer wiederkommen, und durch die fortgesetzte, vermehrte Thätigkeit der Menschen immer mehr Umfang, Haltung und Würksamkeit erlangen muß: das rein-Wahre, Gute und Schöne. Aus diesem Samen sind Göttergestalten hervorgegangen, Heroën und Wohlthäter der Menschheit entsprossen und entsprießen noch; sie haben auch auf uns gewirkt; wir haben Beruf und Macht, in ihrem Werk fortzuwirken und dadurch den schönsten und edelsten Theil unsrer selbst, in unserm Geschlecht

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_175.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)