Seite:De Zerstreute Blätter IV (Herder) 179.jpg

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ihr innres Wort gemacht ward, gedieh zur Form unsrer Seele. Noch denken wir mit den Gedanken jener Großen und Weisen, die dem Körper nach längst verlebt sind; nicht blos was, sondern wie sie es dachten, hat sich uns mitgetheilet; wir verarbeiten es weiter und senden es fort auf andre. Schiene gleich Manches im dunkeln Grunde unsres Gedankenmeeres todt und begraben zu liegen; zu rechter Zeit steigets doch hervor und organisirt sich zu- und mit andern Gedanken: denn in der menschlichen Seele ist nichts todt; alles lebt oder ist da, daß es zum Leben geweckt werde; und da das Reich menschlicher Seelen im innigsten Zusammenhange ist, so belebt, so erweckt Eine die andre. Noch in einem höhern Grade wirken so auf uns die Leidenschaften, Lebensweisen und Sitten der Menschen, insonderheit derer, mit denen wir täglich umgehn, die wir hassen oder lieben, verabscheuen oder verehren. Gegen jene empört sich unser Gemüth, die Eindrücke dieser gehen sanft in unsre Natur über. Wir gewöhnen uns an des andern Wort, Mine, Blick,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_179.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)