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fortsendet, alles ist ihr Werk, ihre Veranlassung und Stiftung. Die Früchte, die sie zum reinen Ertrage der Menschen säeten, sind von unsterblicher Art, von immer wuchernden Zweigen. Dagegen das, was sich in und mit unsrer sterblichen Gestalt verzehrt, das geht hinab in den Orkus.


2. Zum Uebergange dieses Beitrages in den gesammten ewigen Schatz der Menschheit gehört nothwendig eine Ablegung unseres Ich, d. i. eine Entäußerung sein selbst und der Vorurtheile, die an diesem Selbst haften. Wollten wir, wenn wirs auch könnten, Welt und Nachwelt mit unsern Schwächen beschenken? Nein! Der Nektar der Unsterblichkeit, der Lebenssaft, durch welchen das Wahre und Gute keimet, ist ein reiner Saft; alles mit Persönlichkeit Vermischte muß in den Abgrund; in den Gefässen und Triebwerken der großen Weltmaschiene muß es so lange geläutert werden, bis der Bodensatz sinket. Die Wahrheit ruhet auf sich selbst; wenn ihr Würfel auch sechsmal umgewälzet würde, er ist und bleibt ein Würfel.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)