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Dagegen die Pyramide, die auf ihre Spitze gestellt würde, entweder zertrümmern oder mit ungeheurer Mühe umhergewälzt werden müßte, bis sie ihre ruhige Grundlage fände. Leicht wird diese Selbstverläugnung, sobald man Einmal die Luft der hohen Region genossen, und in das Gebiet des Beharrlichen, des Wahren versetzt ward. Gern leget man die sterbliche Hülle der Persönlichkeit ab, wo sie Welt und Nachwelt nur an unsre Unvollkommenheit erinnern würde. Der erste Begriff eines allgemeinen Gesetzes sagt schon, daß es von Privatleidenschaft entfernt seyn müsse: so will auch jede reine Form des Guten und Schönen kein Portrait, sondern ein Ideal seyn. Wer über sich selbst der strengste Richter zu seyn vermag: nur der ist ein Sohn der Götter, seiner Natur nach und in seinen Werken unsterblich. Vielleicht habe ich einmal Gelegenheit, etwas über die Dämonen, Heroën und Genien der Alten zu sagen, deren Göttergestalten überhaupt mir wie abgezogene Begriffe und Kategorien erscheinen, unter welche sich alles Unsterbliche in Menschengedanken,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_184.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)