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darauf nicht. Er will, daß auf der Bühne alles natürlich geschehen, und sich in Einem fortgehenden Faden aus der menschlichen Seele selbst entwickeln sollte. Die Maschienen des Wunderbaren erlaubt er nur ausserhalb der Handlung; ein Theil von dieser müßten sie nie werden: denn in ihr müsse jede Begebenheit aus der andern natürlich folgen. So dachte Aristoteles; der Indische Dichter konnte nicht so denken; oder sein Held ward abscheulich; selbst Sakontala konnte sodann, auch nach allen ausgestandenen Quaalen der Reue, ihm zwar vergeben, nie aber ihn mehr mit ihrer ersten Liebe lieben. Weislich läßt Kalidas also die magische Decke der Vergessenheit über den König fallen, und legt vom Anfange des Stücks alles darauf an, um uns in diese Reihe von Begebenheiten einer höheren Ordnung einzuführen. Nicht nur sind Geister allenthalben mit im Spiele; sondern ehe der König in den Wald tritt, ist Kanna schon abwesend, um ein über seine Pflegetochter Sakontala hangendes

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_311.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)