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Ignatz (Isaac) Lichtenstein: Der Talmud auf der Anklagebank

Von derselben Art ist auch das, was von der hier erwähnten Sabbath-Lampe gesagt wird u. s. w. Merkwürdig! der Verfasser hat sich so in bloße Schatten äußerer Gebräuche hineingeträumt, daß es ihm gar nicht mehr der Mühe werth scheint, die äußere Schale zu öffnen, die Hülsen zu entfernen, um den eigentlichen Kern fachmännisch zu untersuchen. Möge er mich wenigstens ausnahmsweise am Sabbath-Abend in ein echt jüdisches Haus, zu einem ehrlichen Talmudjuden von echtem Schrot und Korn begleiten, um sich gründlich zu überzeugen, daß die Sabbath-Lichter nicht nur äußerlich brennen, sondern auch nach innen beleuchten, daß auf dem gedeckten Tische nicht nur irdische Kost, sondern auch Himmels-Manna, der Körper und Seele erfrischet – geordnet ist, daß das gezierte Bett ihn gleichsam einladet, den Schweiß von der Stirne zu trocknen, an die Lebensmühen und Plagen zu vergessen und sich der Seelenlust, der Seelenfreude, der Seelenruhe ungetrübt, ungestört zu überlassen, daß mit dem alten Gewande zugleich der alte Mensch ausgezogen wird.

Vergessen sind Thränen, Armuth, Noth und Elend, vergessen alle Sorgen, alle Lasten, alle Bitterkeiten des Lebens. Die höhere Lebensweihe, die er am Sabbath empfindet, ist ihm ein Vorgeschmack höherer Seligkeit, eine Offenbarung der Geheimnisse himmlischer Freuden.

Heiliger Schauer durchbebt sein Innerstes, wenn Weib und Kind verklärt, wonnevoll bei seiner Nachhausekunft vom Tempel, im glänzenden Lichtkranze, bei der Sabbath-Lampe mit offenen Armen ihm liebevoll entgegen eilen. – Vergessen ist Zank und Streit, vergessen Zwist und Hader, – der Engel des Friedens, der gute Hausengel, der ihn über seine Schwelle begleitet, feiert seinen schönsten Sieg, so daß Liebe, Versöhnung, Eintracht mit ihm einziehen und ihre bleibende Stätte aufschlagen; denn der böse Engel des Hauses – Ueberdruß, Mißgunst, Unzufriedenheit, Streitsucht, wird durch die Sabbathweihe entwaffnet, bezwungen, so daß er Amen sagen muß. Oder glaubt der Verfasser, daß eine solche höhere Weihe in das Haus einziehen kann ohne Äußerlichkeiten?! Nun so möge er an der Thüre eines solchen horchen

Empfohlene Zitierweise:
Ignatz (Isaac) Lichtenstein: Der Talmud auf der Anklagebank. Buchdruckerei von Victor Hornyánszky, Budapest 1886, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Talmud_auf_der_Anklagebank_durch_einen_begeisterten_Verehrer_des_Judenthums_-_019.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)