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gelös't. Sie ertragen ihn nicht nur, sie ertragen ihn mit Patriotismus[WS 1], und wir, die wir darüber erröthen, grade wir wissen, dass sie ihn verdienen. Wer hätte nicht gedacht, dieser schneidende Rückfall vom Reden ins Schweigen, vom Hoffen in die Hoffnungslosigkeit, von einem menschenähnlichen in einen völlig sklavischen Zustand würde alle Lebensgeister aufregen, jeden das Blut zum Herzen treiben und einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervorrufen! Der Deutsche hatte nichts, als die Geisterfreiheit, die der Mensch, der einem andern leibeigen ist, immer noch haben kann, und auch diese ist ihm nun entrissen; die deutschen Philosophen waren schon früher Diener der Menschen, sie redeten und schwiegen auf Befehl, Kant hat uns die Dokumente mitgetheilt; aber man duldete die Kühnheit, dass sie in abstracto den Menschen für frei erklärten. Jetzt ist auch diese Freiheit, die sogenannte wissenschaftliche oder principielle, die sich bescheidet, nicht realisirt zu werden, aufgehoben und es haben sich natürlich Leute genug gefunden, die in Tasso’s Glauben predigen:

     Glaubt nicht, dass mir
Der Freiheit wilder Trieb den Busen blähe.
Der Mensch ist nicht geboren frei zu sein.
Und für die Edlen ist kein schöner Glück,
Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen.

Wollten wir einwenden: und wenn er ihn nicht ehrt? so wiederholen sie: frei zu sein, ist er nicht geboren. Es handelt sich um seinen Begriff, nicht um sein Glück. Ja, Tasso hat recht, ein Mensch der einem Menschen dient, und den man einen Sklaven nennt, kann sich glücklich fühlen, er kann sich sogar adelig fühlen, die Geschichte und die Türkei beweisen es. Zugegeben also, dass nicht Mensch und freies Wesen, sondern Mensch und Diener ein Begriff ist, so ist die alte Welt gerechtfertigt.

Gegen das Factum, dass die Menschen zum Dienen geboren und ein Besitzthum ihrer angeborenen Herren seien, hatten die Deutschen 25 Jahre nach der Revolution nichts einzuwenden. Im deutschen Bunde sind die deutschen Fürsten zusammengetreten, um ihren Privatbesitz von Land und Leuten wieder herzustellen und die „Menschenrechte“ wieder abzuschaffen. Das war antifranzösisch, man jauchzte ihnen zu. Nun kommt die Theorie dieses Factums hinterher und warum sollte Deutschland sie nicht ohne Unwillen anhören! Warum sich nicht über sein Schicksal mit dem Gedanken

  1. Vorlage: Potriotismus
Empfohlene Zitierweise:
Ein Briefwechsel von 1843. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_020.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)