Seite:Deutsch Franz Jahrbücher (Ruge Marx) 021.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

trösten, es muss so sein, der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein?

Und so ist es, dies Geschlecht ist wirklich nicht geboren frei zu sein. Dreissig Jahre, politisch verödet und unter einem so entwürdigenden Druck, dass selbst die Gedanken und die Gefühle der Menschen von der geheimen Polizei der Censur beaufsichtigt und geregelt wurden, haben Deutschland politisch nichtiger hinterlassen, als es je gewesen. Sie sagen, das Narrensehiff, welches ein Spiel von Wind und Wellen ist, wird seinem Schicksal nicht entgehn und dieses Schicksal ist die Revolution. Aber Sie setzen nicht hinzu, diese Revolution ist die Genesung der Narren, im Gegentheil, ihr Bild führt nur auf den Gedanken des Unterganges. Aber ich gebe Ihnen auch den Untergang nicht zu, der noch erst zu erwarten wäre. Physisch geht dies brauchbare Volk nicht unter, und geistig oder mit seiner Existenz als freies Volk ist es längst am Ende.

Wenn ich Deutschland nach seiner bisherigen und nach seiner gegenwärtigen Geschichte beurtheile; so werden Sie mir nicht einwerfen seine ganze Geschichte sei verfälscht und seine ganze jetzige Oeffentlichkeit stelle nicht den eigentlichen Zustand des Volkes dar. Lesen Sie die Zeitungen, welche Sie wollen, überzeugen Sie sich, dass man nicht aufhört - und Sie werden zugeben, dass die Censur niemanden hindert aufzuhören, - die Freiheit und das Nationalglück zu loben, welches wir besitzen; und dann sagen Sie einem Engländer, einem Franzosen oder auch nur einem Holländer, dass dies nicht unsre Sache und unser Character wäre.

Der deutsche Geist, so weit er zum Vorschein kommt, ist niederträchtig, und ich trage kein Bedenken zu behaupten, wenn er nicht anders zum Vorschein kommt, so ist dies lediglich die Schuld seiner niederträchtigen Natur. Oder wollen Sie seine Privatexistenz, seine stillen Verdienste, seine ungedruckten Tischgespräche, seine Faust in der Tasche so hoch anschlagen, dass ihm die Schmach seiner gegenwärtigen Erscheinung durch die Ehre seiner Zukunft noch einmal abgewaschen werden könnte? O, diese deutsche Zukunft! Wo ist ihr Same gesät? Etwa in der schmachvollen Geschichte, die wir bisher durchlebt? Oder in der Verzweiflung derer, die von Freiheit und geschichtlichen Ehren einen Begriff haben? Oder gar in dem Hohn, den fremde Völker über uns ausschütten und grade dann aufs empfindlichste uns zu fühlen geben, wenn sie es am besten mit uns meinen? Denn den Grad politischer Fühllosigkeit und Verkommenheit, zu dem wir wirklich herabgesunken sind, können jene

Empfohlene Zitierweise:
Ein Briefwechsel von 1843. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_021.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)