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Was bei den fortgeschrittenen Völkern praktischer Zerfall mit den modernen Staatszuständen ist, das ist in Deutschland, wo diese Zustände selbst noch nicht einmal existiren, zunächst kritischer Zerfall mit der philosophischen Spiegelung dieser Zustände.

Die deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der officiellen modernen Gegenwart al pari stehende deutsche Geschichte. Das deutsche Volk muss daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen bestehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände, sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen. Seine Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung seiner reellen, noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Staats- und Rechtszustände beschränken, denn die unmittelbare Verneinung seiner reellen Zustände besitzt es in seinen ideellen Zuständen und die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Zustände hat es in der Anschauung der Nachbarvölker beinahe schon wieder überlebt. Mit Recht fordert daher die praktische politische Parthei in Deutschland die Negation der Philosophie. Ihr Unrecht besteht nicht in der Forderung, sondern in dem Stehnbleiben bei der Forderung, die sie ernstlich weder vollzieht, noch vollziehen kann. Sie glaubt, jene Negation dadurch zu vollbringen, dass sie der Philosophie den Rücken kehrt und abgewandten Hauptes - einige ärgerliche und bannale Phrasen über sie hermurmelt. Die Beschränktheit ihres Gesichtskreises zählt die Philosophie nicht ebenfalls in den Bering der deutschen Wirklichkeit oder wähnt sie gar unter der deutschen Praxis und den ihr dienenden Theorien. Ihr verlangt, dass man an wirkliche Lebenskeime anknüpfen soll, aber ihr vergesst, dass der wirkliche Lebenskeim des deutschen Volkes bisher nur unter seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirklichen.

Dasselbe Unrecht, nur mit umgekehrten Faktoren, beging die theoretische, von der Philosophie her datirende politische Parthei.

Sie erblickte in dem jetzigen Kampf nur den kritischen Kampf der Philosophie mit der deutschen Welt, sie bedachte nicht, dass die seitherige Philosophie selbst zu dieser Welt gehört und ihre, wenn auch ideelle, Ergänzung ist. Kritisch gegen ihren Widerpart verhielt sie sich unkritisch zu sich selbst, indem sie von den Voraussetzungen der Philosophie ausging, und bei ihren gegebenen Resultaten entweder stehen blieb oder anderweitig hergeholte Forderungen und Resultate für unmittelbare Forderungen und Resultate der Philosophie

Empfohlene Zitierweise:
Karl Marx: Zur Kritik der Hegel’schen Rechtsphilosophie. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: , 1844, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_077.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)