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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

12.
‚‚‚Ei Bräutlein, liebstes Bräutlein mein,

wie geht dirs denn im Kämmerlein?‘‘‘

13.
„„Mir gehts nicht gut, mir gehts nicht wohl,

und daß ich heut noch sterben soll.

14.
„„Ei Mutter, herzliebste Mutter mein,

laß mich dies Jahr noch Jungfer sein!““

15.
„Keine Jungfer darfst du nicht mehr sein,

du mußt ja jetzt schon seine sein.“

16.
„„Ei Mutter, bleibt in Gottes Namn!

jetzt seht ihr mich zum letzten Mal.““

17.
Und als sie auf den Wagen stieg,

ihrem Vater und Mutter gute Nacht sie giebt.

18.
„Gute Nacht, gute Nacht, mein Töchterlein!

wir hoffen, es wird dein Glück noch sein.“

19.
„„Wie soll denn das mein Glück noch sein?

seine Mutter ist ein wildes Wasserweib,
das wird mir kosten mein jungen Leib.““

20.
Und als sie auf Grunheid naus kamn,

zwei weiße Schwanen ihr entgegen kamn.

21.
„„Fliegt ihr nur hin, wo Freude ist!

ich fahre hin, wo Elend ist.

22.
„„Das kann ich an der Sonne sehn,

daß ich heut muß zu Grunde gehn.““

23.
Und als sie an die Brücke kamn,

ihrn Tod sie schon vor Augen sah.

24.
„„Nun zieht mir aus mein Ehrenkleid,

ich mach mich gleich zum Tod bereit!““

25.
Er ließ die Brücke befahren

mit vierundvierzig Wagen.

26.
Sie fuhren hinüber, fuhren wieder herüber,

und die junge junge Braut wollte nicht hinüber.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_051.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)