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51d. Der Schäferssohn.
1.
Es weidet ein Schäfer im langen Holz,

Veilchen, Rosen, Blumen!
begegnet ihm ein Edelmann stolz.
Berg und Thal, kühler Schnee:
Herzlieb! Scheiden das thut weh.

2.
Der Edelmann zog sein Hütlein ab

und wünscht dem Schäfer ein guten Tag.

3.
„Ach Edelmann, laß dein Hütlein stohn!

ich bin ein armer Schäferssohn.“

4.
‚‚‚Bist du ein armer Schäferssohn,

und ziehst doch Sammet und Seiden an!‘‘‘

5.
„Ach Edelmann, was geht es dich an,

wenn mirs mein Vater bezahlen kann!“

6.
‚‚‚Wenn dirs dein Vater bezahlen kann,

so sollst du meine Tochter han!‘‘‘

7.
„Ei wär deine Tochter in Ehren fromm,

so nähm sie keinen Schäferssohn.“

8.
Der Edelmann faßt ein grimmigen Zorn

und wirft den Schäfer in tiefen Thurn.

9.
Er lag darin ein ganzes Jahr,

bis daß es sein Vater thät erfahrn.

10.
„Ach Edelmann, was muß ich dir geben,

wenn du mir meinen Sohn läßt leben?

11.
„Hundert Schaflämmer will ich dir geben,

wenn du mir meinen Sohn läßt leben.“

12.
‚‚‚Hundert Schaflämmer ist mir kein Geld,

dein Sohn muß hangen im weiten Feld!‘‘‘

13.
„Zweihundert Schaflämmer will ich dir geben

wenn du mir meinen Sohn läßt leben."

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_186.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)