Seite:Deutscher Liederhort (Erk) 349.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Dritte Melodie.


Mäßig langsam. Mündlich, aus dem Kuhländchen.
Noten
Noten


1.
O Tannenbaum, o Tannenbaum!

du bist ein edler Zweig;
|: du grünest uns den Winter,
die liebe Sommerzeit. :|

2.
Wenn andre feine Bäumelein

in großer Trauer stehn,
so grünst du, edler Tannenbaum,
im Winter, ei, wie schön!

3.
„Warum sollt ich nicht grünen,

da ich noch grünen kann?
ich hab wedr Vater noch Mutter,
der mich versorgen kann.“

(Vielfach mündlich, aus dem Odenwald [Neunkirchen], aus Schlesien [Hainau], Westfalen [Brakel], u. s. w.)

Gewöhnlich dient dieses Lied als Einleitung zu Nr. 154. (Besonders von Str. 5 an: „In meines Vaters Gärtelein.“) Vgl. z. B. J. E. Biester, „Neue Berlinische Monatschrift. 8. Bd. 1802.“ S. 279. – L. Erk, Volkslieder. B. II, H. 2, S. 39, Nr. 25. – Hoffmann v. F. Schles. Volkslieder. S. 84 u. 166. – Aber auch in Verbindung mit andern Liedern pflegt es aufzutreten; z. B. bei Uhland. I, 385. (Str. 9 u. 10.) – in L. Erk’s Volksl. B. II, H. 6, S. 50, Nr. 47 – in Kretzschmer’s Volksl. I, 160 u. 245 – in Bergliederbüchlein. (1740.) S. 226, Nr. 188. – Es gehören demnach diese Strophen in die Klasse der oben (S. 283, 285, 288 u. 314.) erwähnten Lieblingsstrophen.

In dem Liede „Es hieng ein Stallknecht seinen Zaum“ (nach einem flieg. Bl. in 8., gedruckt zwischen 1550 u. 1580) lautet Str. 9 u. 10 also:

1.
O Tanne! du bist ein edler Zweig; :|:

du grünest den Winter und die liebe Sommerzeit. :|:

2.
Wenn alle Bäume dürre sein,

so grünest du, edles Tannenbäumelein!

Ein Fragment davon hat sich in Melchior Franck’s „Musicalischem Grillenvertreiber“ (Coburgk, 1622. 4.) und zwar im 5. Quodlibet erhalten:

„Du grunest uns den Winter,
die liebe Sommerzeit.“

Endlich gedenkt auch Logau (in „Salomons von Golaw Deutscher Sinn-Getichte Andres Tausend.“ Bresl. 1654. 8. S. 13.) dieses Liedes mit folg. Worten:

     .... „Die Junkern giengen seichte,
sie waren nicht weit her und zu erreichen leichte;
wanns höflich wo gieng zu, so klang ein Reuterslied,
der grüne Tannenbaum und dann der Lindeschmied.“ (Uhland. I, 358.)

Was A. Zarnack (in seinen „Deutschen Volksliedern.“ Berlin, 1820. II, 29. – Erlach. IV, 41.) aus vorstehendem Liede Neues geschaffen, gehört nicht hierher.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_349.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)