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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 51. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube.

Das Bewußtsein von der hohen Aufgabe, welche der deutschen Nation noch vorbehalten ist, diese Gewißheit, von der wir durchdrungen sind, daß sie deshalb auch die Einheit erringen werde, auf unsere deutschen Brüder überzutragen, möchten wir in unsern Blättern versuchen. Bannen möchten wir jenen finsteren Geist, der aus Verzweiflung sich selbst verachtet, – bannen möchten wir jene trübe Anschauung, welche aus Zweifel an der Thatkraft der Nation das eigene Fleisch zerwühlt, – bannen jene ungerechte Vergötterung des Auslandes auf Kosten Deutschlands, – bannen jene Zerknirschung und Selbsterniedrigung, aus der nur Schwäche und Ohnmacht entspringen kann. Erfüllen möchten wir vielmehr die ganze Nation mit der freudigen Zuversicht von der Herrlichkeit ihrer Zukunft, welche gleichmäßig vor verzweifelnder Schwäche, wie vor unbesonnenen voreiligen Thaten bewahrt, – daß ein Jeder, gedenkend des Sprüchleins: „Schmückt sich die Rose, so schmückt sie den Garten“ – frohen Muthes an sein Tagewerk gehe, zufrieden, wenn er auch nur ein kleines Scherflein zur großen Sache beitragen kann, – auf daß ein Jeder, und sei sein Tagewerk noch so klein – und sei er nur der Holzhauer, der den Baum fällt, welcher Schwellen für eine Eisenbahn liefern soll, die bestimmt ist, Deutsche zu verbinden, und wenn er nur der Schmied ist, der den Draht für deutsche Telegraphen hämmert, und wenn er nur der Bergmann ist, der deutsches Eisen zu Tage fördert. – an seine Arbeit gehe mit der Ueberzeugung, einem Volke anzugehören, dessen politische Einheit und Größe unaufhaltsam herannaht; – und wenn dieses Bewußtsein das ganze Volk durchdringt, – und wenn es Nichts gibt als dieses heilige Bewußtsein, so kann es allein im entscheidenden Moment die Einheit schaffen! M. W.




Der verwandelte Schmuck.

Novelle von Ernst Willkomm.
(Fortsetzung.)

„Hat der Herr Graf von Weckhausen nicht neulich bei seiner Abreise einen neuen Bedienten engagirt?“ warf der Obergerichtsrath ein.

„Es ward ihm schwer, einen tauglichen Mann aufzufinden, seit sein früherer sehr erfahrener Bediente, weil er das hiesige Klima nicht vertragen konnte, um die Erlaubniß bat, in seine schöne Heimath zurückkehren zu dürfen.“

„Der neue Bediente spricht gut Spanisch, nicht wahr?“

„Er ist ein geborner Catalonier.“

„Schade, daß Sie den Mann nicht schärfer in’s Auge gefaßt haben,“ sagte Bornstein; „Sie würden dann gefunden haben, daß er dem Marchese Oruna ungemein ähnlich sieht, fast so ähnlich, als seien Beide nur eine einzige Person.“

„Herr Obergerichtsrath,“ erwiderte jetzt der Domcapitular sehr ernst, „ich will nicht hoffen, daß Sie sich einen Scherz gegen mich erlauben; eben so wenig kann ich glauben, daß allen diesen Mittheilungen eine geheime Absicht zu Grunde liegt! Der Gatte meiner Nichte ist ein Mann von Ehre, den Sie ja selbst für den Staatsdienst zu gewinnen suchten. Sein Charakter steht tadellos da. Ein solcher Mann umgibt sich nicht mit zweideutigen Subjekten.“

„Tadellose Charaktere sind oft am leichtesten zu täuschen,“ versetzte Bornstein. „Ich bin fest überzeugt, daß Graf von Weckhausen eben so wenig wie Sie selbst eine Ahnung hat, wer eigentlich die Person ist, die sich als Bedienter von ihm hat engagiren lassen.“

„Wenn Sie Ihrer Sache so gewiß sind, weshalb eröffneten Sie sich nicht dem Grafen?“

„Gewichtige Gründe ließen dies nicht zu,“ sprach Bornstein. „Der Marchese Oruna oder wer sich sonst hinter demselben verbergen mag, ist im besten Falle ein Abenteurer, ich glaube sogar, daß er eine noch gefährlichere Persönlichkeit ist. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Smaragden, welche der vorgebliche Marchese dem Juwelier Simonides zum Kaufe anbot, dem Diademe entnommen sind, das den regierenden Fürsten von O* gehört und das man nebst einer Menge anderer Kleinodien zuerst bei der Vermählung der Prinzessin vermißte. Auch die Diamanten gehören zu jenem verschwundenen Familienschmuck. Sie bildeten eine Rosette, die als Broche getragen ward.“

„Diese Mittheilungen versetzen mich in die größte Unruhe,“ sagte der Domcapitular. „Sie müssen, wenn man in dem Bedienten des Grafen von Weckhausen einen Verbrecher entdecken sollte, diesen selbst höchlichst compromittiren.“

„Diese Besorgniß vermag ich nicht zu theilen,“ erwiderte der Obergerichtsrath, „für mich liegen augenblicklich die Dinge weit einfacher, als es auf den ersten Anblick scheinen mag. Der Marchese – wir wollen ihn einstweilen so nennen – ist entweder ein ganz gewöhnlicher Betrüger, der nur durch größere Geschicklichkeit und durch die Gabe, sich in den besten Cirkeln leicht und sicher zu bewegen, Fremde für sich einzunehmen versteht, oder er ist wirklich jener illegitime Erbe, welcher Ansprüche auf das Fürstenthum zu erheben ein Recht zu haben glaubt. Es mag ihm gelungen sein,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_741.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)