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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

und die Vigilanten selbst machten den Ersatz und sandten den Räuber in’s Grab.

Die Verbindung wird weder von Freund noch Feind beschuldigt, daß sie während ihrer dreijährigen Thätigkeit, die nahezu hundert Todesvollstreckungen umfaßte, auch nur in einem Falle parteiisch, mit Voreingenommenheit gehandelt oder ein ungerechtes Urtheil ausgesprochen habe. Unbeugsam, geduldig, unermüdlich hat sie ihre unwillkommene Aufgabe verrichtet, und ihre Geschichte ist einzig die der Inthronisation der Tugend, Ordnung und Gerechtigkeit in Montana.

C. R.




Blätter und Blüthen.


Auf dem Friedhofe zu Langensalza. Zu den freundlichsten Friedhöfen des nördlichen Deutschlands gehört der von Langensalza in Thüringen; er hat aber neuerdings auch durch die in ihm bestatteten Opfer der unglückseligen Schlacht von Langensalza weit und breit eine traurige Berühmtheit erlangt, so daß uns der Leser gewiß gern auf einem Gange über diesen Gottesacker zu den Gräbern der im Bruderkriege Gefallenen folgen wird. – Zwei breite Promenadenwege durchlaufen in paralleler Richtung die neue Abtheilung des Friedhofs, von einem dritten in der Mitte durchkreuzt, wodurch er in sechs ziemlich gleichmäßige Felder getheilt wird. Das eine Feld enthält die Kindergräber, drei nebenliegende haben die Erwachsenen aufgenommen. Zu einem von diesen führte mich mein Begleiter und wies auf neun lange Reihen mit üppig-wucherndem, wohlgepflegtem Rasen bedeckter Massengräber. Viele derselben zeigten ovale Einschnitte im Rasen und diese waren mit lieblichen Blumengruppen bepflanzt, nicht wenige trugen Denkmäler. Numerirte Holzpflöcke bezeichneten die Zahl der stillen Bewohner dieser Stätte, es waren die in der blutigen Schlacht von Langensalza Gebliebenen.

Drei große, tiefe Gruben wurden am Schlachttage und am folgenden Morgen schon mit Todten angefüllt, ohne Frage nach Namen und Charge, Heimath und Familie, mit allem Schmutz und Blut der grausigen Schlächterei an den zerschossenen und zerhauenen Gliedern, in den bleichen Gesichtern. Die eine dieser Grüfte enthielt dreiundvierzig, die zweite dreiundzwanzig und die dritte siebenzehn Leichen, eingeschichtet Mann an Mann und dann bedeckt mit Kalk und Erde. Die später Begrabenen ruhen in Särgen, welche gefühlvolle Herzen so reich und schön schmückten, als ob es theuern Verwandten und Freunden geschähe; ja man findet heute noch, nach Jahresfrist, eine Menge frischer Blumenkränze auf den Gräbern der Gefallenen, welche ihnen die Liebe, das innigste Mitleid treuer Pfleger und Freunde spendet. Am reichsten und lieblichsten waren die Gräber bei der Jahresfeier der Schlacht von Langensalza, am 27. Juni, mit Blumenkränzen, Bouquets und Guirlanden decorirt. Halb Langensalza hatte sich am Abend des Vortages der Feier mit seinen Blumenschätzen aufgemacht, um die lieben, unvergeßnen Todten zu ehren und erwarteten Angehörigen den brennenden Schmerz zu mildern. Zahllose Thränen flossen da, aber ungetröstet ging Niemand von dannen.

Unter den Todten, deren Monumente bereits hier aufgestellt sind, befindet sich der Rittmeister William von Einem, der tapfere Führer einer Escadron Cambridge-Dragoner, gefallen im siegreichen Kampfe mit zwei preußischen Geschützen; daneben ruht ein tapfrer preußischer Landwehrmann, mit Namen Rudolph Bechstädt, der Sohn eines Bürgers von Langensalza. Ferner lesen wir den Namen: Lieutenant Kriegk. Aus dem Cadettenhause entlassen, in das Regiment getreten, in den Tod gegangen – also endete die kurze Pilgerfahrt des noch nicht achtzehnjährigen Jünglings. „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in das kühle Grab.

Ein anderes Denkmal trug die Aufschrift: Lieutenant von Marschalck; er war einer der Tapfern vom hannoverschen Regiment Garde du Corps, „der Tapferste der Tapfern“, wie ihn seine Cameraden selbst nannten. Er fiel an der Spitze seiner Schwadron, welcher er im Ansprengen gegen den Feind muthig zurief: „Cameraden, seit Waterloo hat die Garde nicht mehr gefochten. Zeigen wir heute, daß wir die tapfern Söhne jener tapfern Väter sind.“ Der Todesmuthige fiel nach wenigen Augenblicken, durchbohrt von sieben Kugeln. Der wohlverdiente Lorbeer ziert seinen Stein. Aber er war wohl auch ein guter Sohn und Bruder, denn sein Denkmal trägt auf der Rückseite das einfach schöne Wort: „Jahrelang warst Du die Freude Deiner Eltern und Geschwister, und nur durch Deinen Tod hast Du sie betrübt.“

Ein Eisenkreuz, nebenan nennt den Namen Ernst von Hedemann, des Sohnes eines in traurigster Weise in Hannover bekannt gewordenen Mannes; ein zweites Kreuz, von Marmor, gehört dem Premier-Lieutenant und Regiments-Adjutanten Pasch vom ersten Rheinischen Infanterie-Regiment Nummer fünfundzwanzig; ein anderes dem Lieutenant Hans von Ebertz vom zweiten schlesischen Grenadier-Regiment Nummer elf. Ferner sieht man ein hohes Marmorkreuz mit dem Namen Ernst Adam Egid Freiherr von Knigge und der Inschrift: „Sit tibi terra levis“; ein liegendes, welches Rittmeister Bodo von Schnehen nennt. Außer diesen Namen und Monumenten haben noch Platz und Aufnahme gefunden: Ernst Otto Kunze, Hauptmann im hannoverschen Infanterie-Regiment; Carl Johann Alfred v. Diebitsch, königlich hannoverscher Hauptmann und Brigade-Adjutant; Ludwig Robert Gau, Premier-Lieutenant im ersten Bataillon königlich hannoverschen vierten Infanterie-Regiments; Ulrich v. Stoltzenberg, Premier-Lieutenant im königlich hannoverschen Regiment Cambridge-Dragoner; Herman v. Reden, Premier-Lieutenant vom königlich hannoverschen Garde-Regiment; Georg Bernhard August Wilh. Chappuzeau, Seconde-Lieutenant im ersten Bataillon königlich hannoverschen vierten Infanterie-Regiments; Alexander Wilhelm Augustin v. Borstell, Hauptmann im ersten Bataillon des königlich hannoverschen vierten Infanterie-Regiments; Adolph Lüderitz, Haupt- und Compagnie-Chef im sechsten königlich hannoverschen Infanterie-Regiment; Sidney Hans v. Lösecke, Oberstlieutenant im königlich hannoverschen siebenten Infanterie-Regiment; Gustav Heinrich Wilhelm Braun, Major im königlich hannoverschen Garde-Husaren-Regiment; Louis Alfred v. Landesberg-Wormsthal, Premier-Lieutenant im ersten Bataillon königlich hannoverschen Garde-Regiments; Severin Schroeder, Hauptmann und Compagnie-Chef im königlich hannoverschen fünften Infanterie-Regiment; Max Friedrich Reinhold Tzschirner, Premier-Lieutenant und Adjutant im zweiten schlesischen Grenadier-Regiment Nummer elf. Sein Eisenkreuz trägt auf der einen Seite die Worte: „Seinen frühen Heimgang beweinen seine Gattin, zwei kleine Knaben und seine Eltern.“ Auf der anderen ist zu lesen: „Die gepflanzet sind in dem Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen.“ (Psalm 92, 14.) Ueberhaupt findet man an den meisten Denkmälern solche biblische Gedenkverse, aber nicht selten übel gewählt und wenig harmonirend mit Leben und Todeskatastrophe des Verewigten. Welch’ greller Widerspruch: ein blutiger, grausiger Tod, ein unerwartetes, unvorbereitetes Ende und das Schriftwort: „Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben“ etc., oder: „Selig sind die Friedfertigen“! etc.

Das stattlichste und kostbarste Denkmal ziert das Grab des königlich preußischen Oberstlieutenants August von Westernhagen. Es ist ein Kreuz aus grauem Marmor auf geschmackvollem Sandstein-Postament. An seinem Fuße lehnt eine schwarze Marmortafel mit der Inschrift in Goldlettern: „Dem Andenken unseres tapferen Cameraden. Er starb den Heldentod eines braven Soldaten, der sein Leben mit Freudigkeit hingiebt für den König und die Ehre seines Standes. Friede seiner Asche, Ehre seinem Andenken. Das Officier-Corps des herzoglich sachsen-coburg-gothaischen Infanterie-Regiments.“

Außer vorstehend angeführten Namen und Monumenten von Officieren sind auch noch Denkmäler von Mannschaften und Unterofficieren der preußischen und hannoverschen Armee vorhanden; zwei derselben haben die betreffenden Officier-Corps errichten lassen, zwei andere die Gesammtheit der Compagnieen. Das imposanteste aber, nicht minder stattlich als das Grabmonument des Oberstlieutenants von Westernhagen, ist das Denkmal, welches den beiden gefallenen hannoverschen Soldaten mosaischen Glaubens, Jacob Driels aus Emden und Hermann Herzfeld aus Mühlenhausen, vor Kurzem von ihren Glaubensgenossen hier auf dem Langensalzaer Friedhofe errichtet worden ist. Mit einer deutschen und einer hebräischen Inschrift geschmückt, ist dies Monument unbedingt eine der schönsten Zierden des Gottesackers, und nicht blos in rein äußerlicher Beziehung. Viele der stillen Bewohner in diesen endlosen Massengräbern deckt jedoch nur der grüne Rasen, im besten Falle ein Blumenstrauß und Kranz; wenige sind bekannt und noch genannt, außer von denen „daheim“, deren Augen und Herzen thränen und beben, die ihre Lieben hier – fern von der Heimath – nimmer vergessen.

In der Mitte ist ein Feld leer gelassen, angeblich für ein Denkmal zu Ehren und Gedächtniß aller Gefallenen und Nachgestorbenen der Schlacht von Langensalza. Langensalza’s Friedhof ist so zu einer historischen Merkwürdigkeit, ein Andenken an eine schwere, aber bedeutungsvolle und folgenreiche Periode unserer Geschichte geworden, und die Tausende seiner Besucher aus Nähe und Ferne bekunden dies täglich. Dank darum allen Denen, welche ihn mit Liebe und Pietät pflegen und die Stätte des Todes zu einem Friedensasyl umwandelten.




Ein neuer Heiliger. Die vielbesuchte Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen im bairischen Oberfranken ist mit einem Franciskanerkloster von etwa sechs Mönchen verbunden. Sie versehen den Gottesdienst und leben, wie alle Franciskaner, in freiwilliger Armuth. Man stelle sich darunter nicht vor, daß die armen Mönche etwa Hunger und Noth leiden. Schon die Erscheinung der wohlgenährten Gestalten bezeugt, daß sie besser für die Küche, als für die Bibliothek Sorge tragen. Ihren leiblichen Bedarf erwerben sie sich durch „Terminiren“, d. h. die Mönche wandern jährlich so und so oft von Ort zu Ort und Haus zu Haus und sammeln Fleisch, Schinken, Wurst, Speck, Eier, Geflügel, Mehl und Getreide, Butter und Käse, Kartoffeln und Flachs gegen ein „Vergelt’s Gott!“ und kleine Heiligenbilder für die Kinder; auch Hopfen und Gerste heimsen die armen Mönche ein und wissen daraus ein fein lieblich Tränklein zu bereiten, genannt „Bock“, das gar trefflich mundet. Einen erheblichen Theil der Einnahmen zur Unterstützung der freiwilligen Armuth schaffen dem Kloster die Opferstöcke, die Meßgelder, das Verleihen von Opferwachs und der Verkauf von geweihten Rosenkränzen und Medaillen. Mit diesen Medaillen nun spielte die Zufallstücke den ehrwürdigen Vätern des Klosters unlängst einen komischen Streich. Bei der behördlichen Revision des Inventars entdeckte man zur nicht geringen Ueberraschung in einer Rolle noch einen Rest Medaillen mit dem leibhaftigen Bildniß des Königs Victor Emanuel mit dem großen Schnauzbart und der italienischen Ueberschrift: Vittore Emanuele auf der einen Seite und Italia unita auf der andern. Diese Medaillen waren in der Fabrik in Augsburg oder Nürnberg verwechselt und statt den italienischen Patrioten den bairischen Franciskanervätern, welche Medaillen mit Heiligenbildern bestellt hatten, geschickt worden, und so wurde Victor Emanuel, damals mit dem Kirchenbanne belegt, von den ehrwürdigen bairischen Franciskanern als geweihter Heiliger, wer weiß in wie vielen Medaillen, verkauft.



Inhalt: Der Habermeister. Eine Geschichte aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Ein treuer Freund des Volkes. Mit Portrait. – Eine Locke des Königs von Rom. Von George Hiltl. – Warum? Von Friedrich Hofmann. Mit Illustration. – Volksvehme in Amerika. – Blätter und Blüthen: Auf dem Friedhofe zu Langensalza. – Ein neuer Heiliger.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_640.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2017)