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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Weihen zu gelangen, ein weniger dorniger in belgischen und holländischen Klöstern dar, wo der Priesterling durch praktische Uebungen dressirt und beiläufig mit dem Kirchenlatein zugestutzt wird, ohne daß er den gefährlichen classischen Heiden allzusehr in den Weg läuft. Auch unser wackerer Eisenschläger betrat ihn und zwar mit so günstigem Erfolg, daß er bald als ein mächtiges Rüstzeug der streitenden Kirche erkannt und in verhältnißmäßig jungen Jahren 1842 zum apostolischen Vicar für das Großherzogthum Luxemburg mit dem Ringe eines Bischofs ernannt wurde.

Die größte That, welche er dort verrichtete, war eine Teufelsaustreibung. Es war ein luxemburgisches Landmädchen, welches an Krämpfen unter Mitleidenschaft des Gehirns litt, welche Krankheit kenntnißlose Gläubige gewöhnlich für Teufelsbesessenheit ansehen. Sie hatte nach Laurent bis zum Einfahren des bösen Geistes in ihrem fünfzehnten Lebensjahre „ein unschuldiges und christliches Leben geführt“. Warum sollte sie auch nicht? Die Krankheit hat mit der Sittlichkeit unmittelbar ja nichts zu thun, und vor der Entwickelung sind wohl die allermeisten Kinder „unschuldig“. In dieser Zeit aber werden die Nerven von Mädchen häufig so stark angegriffen, daß bei Schwächlingen Krämpfe und Geistesstörungen, also Besessenheit, leicht eintreten können. Als überzeugendes Kennzeichen, daß der Böse wirklich in ihr nistete, wird angegeben, daß ihr Gebrüll und ihre Gotteslästerungen einige Male sogar in der Kirche eintraten. Der schlichte Menschenverstand müßte gerade daraus das Gegentheil schließen, denn die Kirche ist doch das Haus Gottes, und man muß denn doch annehmen, daß Gott stärker ist als der Teufel und daß er mit ihm wohl fertig werden würde, wenn er von ihm in seinem eigenen Hause „gelästert“ würde.

Wir lassen nun die Erzählung dieser Teufelsaustreibung so, wie Herr Laurent sie den Studenten des Klosters der Redemptoristen[WS 1] zu Witten in der Provinz Limburg selbst vorgetragen und dann in einer Flugschrift in holländischer Sprache (Luxemburg, 1843) veröffentlicht hat, in der wortgetreuen Uebertragung der „Rhein. Zeitung“ hier folgen:

Ein junges Mädchen in Deutsch-Lothringen, das immer ein musterhaftes, unschuldiges und christliches Leben führte, wurde in ihrem fünfzehnten Jahre von dem bösen Geiste besessen. Zu den mannigfaltigen Zeichen hiervon gehört, daß sie bei verschiedenen Gelegenheiten die Zukunft vorhersagte, Geheimnisse entdeckte und die lateinische Sprache rein, das Französische und Deutsche vermengt sprach. Ihre gewöhnliche Sprache war die plattdeutsche. Sie wurde zuweilen mit großer Gewalt hin- und hergeschleudert und heulte auf eine schauerliche Art.

Der böse Geist vergnügte sich damit, sie öfter innerlich zu quälen, sowohl durch verzweifelte Gedanken, Gotteslästerungen, als durch Verwünschungen. Sie war zuweilen sehr wild; ihr Gebrüll und entsetzliches Geschrei fand sogar einige Male in der Kirche statt, wodurch auch endlich die Priester die Ueberzeugung gewannen, daß sie wirklich vom Teufel besessen war. Die Geistlichen beschlossen, den Bischof von Metz von diesem Vorfall in Kenntniß zu setzen, welcher sogleich einige Priester beauftragte, die Beschwörungen vorzunehmen. Diese Beschwörungen aber waren fruchtlos. Der Teufel trieb mit ihnen Spott und fügte ihnen allerlei Beleidigungen zu. Das arme Mädchen blieb also fünfzehn Jahre in diesem betrübten Zustande; seit dieser Zeit war sie das Unglück ihrer Angehörigen und erfüllte dieselben oft mit Angst und Schrecken durch ihre teuflischen und betrügerischen Formen, welche der böse Geist sie bewog anzunehmen.

Endlich, vor drei Jahren, beauftragte der Bischof von Metz einen Jesuiten mit der Beschwörung, da die der anderen Priester keinen Erfolg gehabt hatte. Die Beschwörung[WS 2] des Jesuiten war ebenfalls fruchtlos; und es sagte der Teufel zu dem Jesuiten:

„Allein könnt Ihr mich nicht austreiben, dazu sind deren drei nöthig.“

Der Jesuit trug nun darauf an, ihm die beiden Andern zu nennen. „Falls Pater Potot hier wäre, der könnte wohl etwas ausrichten.“

Man brachte nun das unglückliche Mädchen auf das Grab von Pater Potot. (er war im Jahre 1836 im Geruch der Heiligkeit gestorben); äußerlich schien sie ruhiger und stiller, aber der Teufel erklärte, er wolle nicht weichen. Der Jesuit drang auf’s Neue in ihn, ihm die dritte Person zu nennen, aber der Teufel wollte nicht. „In dem Falle,“ sagte er, „daß Ihr mich mit ihm nach Luxemburg bringt, bin ich gezwungen, zu verziehen.“

Die Besessene wurde denn auch zu unserer lieben Frau nach Luxemburg gebracht; eine neuntägige Andacht wurde hier gehalten, der zufolge sie beichten und communiciren konnte, woran sie seit verschiedenen Jahren durch den Teufel verhindert worden war; sie hatte nichtsdestoweniger mit ihm einen großen Kampf zu bestehen, denn der Teufel hielt sie mit festgeschlossenen Klauen zurück; einmal währte es ihm zu lange, so daß der Geistliche viele Mühe hatte, ihr die heilige Hostie zu reichen, und beim Schluß seinen Arm sehr weit ausstrecken mußte. Uebrigens verstrich diese neuntägige Andacht gut, das Mädchen war sehr ruhig und kehrte auf ihr Dorf zurück, wo man sie vollkommen genesen glaubte; sie konnte auch ohne Hinderniß beichten und communiciren. Jedoch hatte sich der Teufel nicht im Mindesten aus ihr zurückgezogen; er ließ das Mädchen die abscheulichsten Versuchungen erleiden, allein sie erachtete sich für genesen, ohne Zweifel glaubend, daß diese schlechten Versuchungen nur der Art wären, wie sich ihnen ein jeder in Versuchung gerathende Mensch unterziehen muß.

Auf diese Weise von ihrer eingebildeten Genesung überzeugt, ging sie jedes Jahr mit ihrer Schwester nach Luxemburg, um, des Dankes voll, dort eine neuntägige Andacht zu verrichten.

Als ich nach Luxemburg kam, erzählt weiter Bischof Laurent, schätzte ich mich glücklich, in einer Stadt meinen Wohnsitz aufzuschlagen, die so gefeiert ist durch die berühmten Wallfahrten zur heiligen Jungfrau, durch deren Fürbitte dort so viele Wunder stattgefunden haben. Ich fragte einen meiner Geistlichen, ob hier vielleicht auch noch seit kurzer Zeit ein Wunder sich ereignet, worauf er mir antwortete, daß ein Lothringer Mädchen seit ihrem fünfzehnten Jahre (zu dieser Zeit ist sie vierunddreißig Jahre alt) vom Teufel besessen, durch die Fürsprache unserer lieben Frau von Luxemburg gegenwärtig, seit drei Jahren, von dem bösen Geiste erlöst worden, daß sie jedes Jahr, begleitet von ihren Schwestern, nach Luxemburg komme, einer neuntägigen Andacht obzuliegen, und daß die Zeit, wo sie sich dieser gewohnten Verrichtung unterzöge, sich nahte. Ich äußerte den Wunsch, sie zu sehen, und man gab mir das Versprechen, sobald sie käme, mich sofort in Kenntniß zu setzen.

Am fünften Sonntag nach Ostern (1. Mai 1842) verrichtete ich in meiner Kirche die heilige Messe und theilte nach derselben das heilige Abendmahl aus, wobei meine Aufmerksamkeit durch eine weibliche Person gefesselt wurde, welche, ihr Haupt auf die Brust geneigt, es erhob, die heilige Hostie in Empfang zu nehmen, plötzlich es jedoch wieder fallen ließ, auf eine Weise, die mein Erstaunen erregte; einige Zeit später setzte mich mein Vicarius davon in Kenntniß, daß die weibliche Person, welche vom Teufel besessen gewesen, bereits vor einigen Tagen angekommen wäre, und daß er glaube, ich habe ihr am Sonntage das heilige Abendmahl verabreicht; darüber nachsinnend, erinnerte ich mich an jenes Mädchen, welche ihr Haupt auf so sonderbare Art fallen ließ, obgleich ich noch sehr weit entfernt war, Dasjenige, was noch bevorstand, auch nur zu vermuthen.

Man ließ das Mädchen mit ihren Schwestern zu mir kommen; ihr Gesicht war dem eines Engels gleich, sie war voller Hochachtung vor dem Geistlichen; sie warf sich vor mir auf die Kniee, mich um den Segen ersuchend; ich wünschte ihr Glückseligkeit mit der großen Gnade, welche sie durch Fürsprache unserer lieben Frau von Luxemburg erfleht hatte; aber in diesem Augenblicke zeigte sich der Teufel auf’s Neue bei ihr (da er sie ganz und gar nicht verlassen hatte, sondern sich in ihrem Innern festgeklammert hielt) unter den abscheulichsten Gestalten; ihr Mund öffnete sich bis zu den Ohren, gleich dem Maule einer Löwin, und ihre Augen schienen glühenden Kohlen gleich. Mit diesem furchtbaren Aeußern flog sie mit einem Male auf mich zu, ja fast bis in’s Angesicht; es ist mir gar nicht möglich, den plötzlichen Schreck, der mich befiel, zu beschreiben; ich hatte nichts weniger als dies erwartet, und nur mit großer Mühe gelang es mir, noch die Hand aufzuheben, um das heilige Kreuz zu machen; bei diesem Zeichen ward das Mädchen in meinem Zimmer nach allen Richtungen hin- und hergeschleudert, zu gleicher Zeit Stühle und Alles, was ihr im Wege stand oder lag, umwerfend; getrieben endlich unter einen Tisch, lag sie da wie ein wildes Thier, vor Wuth schäumend und brüllend. Ich stand ganz und gar wie vernichtet da, denkend, warum Gott, bei

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Redemtoristen
  2. Vorlage: Beschörung
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_741.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)