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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Blutkörperchen von Schafblut, welches eine Zeit lang im Freien gestanden und der Fäulniß ausgesetzt wurde. Es bildeten sich in diesem Blute eine Unmasse rundlicher Pünktchen von verschiedener Form und Größe. Das nach der Natur photographirte und auf Holz übertragene Bild giebt einen charakteristischen Begriff der so sehr gefährlichen Mikrokokken, welche von den Forschern vornehmlich als Träger der Fäulniß bezeichnet werden.

Daß die Ansteckung bei vielen sogenannten epidemischen Krankheiten auf der Uebertragung von Mikrokokken und Bakterien durch Vermittelung der Luft oder des Trinkwassers beruht, wird von dem größten Theile der Aerzte zugegeben. Die hervorragendsten Vertreter der Ansicht, daß die Infectionskrankheiten auf Übertragung der erwähnten mikroskopischen Gebilde beruhen, sind der Professor der Botanik Dr. Hallier in Jena und der Professor der pathologischen Anatomie Dr. Klebs in Prag. Ersterer hat durch mannigfache Untersuchungen und Experimente für viele Krankheiten der Thiere und Pflanzen, Letzterer für mehrere Krankheiten des Menschen Mikrokokken- und Bakterienformen als Krankheitsursache nachgewiesen. Zu diesen Krankheiten gehören auch solche, deren infectiöse Natur man bisher nicht geahnt hatte, z. B. der Gelenkrheumatismus, eine bekanntlich sehr gefürchtete Krankheit, weil in ihrem Gefolge oft unheilbare Herzfehler entstehen. Professor Klebs hat nun gefunden, daß bei dem Gelenkrheumatismus an den Klappen des Herzens sich Tausende und aber Tausende von Bakterien und Mikrokokken ansetzen, welche die Tätigkeit der Herzklappen beeinträchtigen. Auch für die berüchtigte Syphiliskrankheit will Dr. Klebs den specifischen Parasiten in einer eigentümlichen Bakterienform nachgewiesen haben; auf der jüngsten Naturforscherversammlung zu Cassel hat er die bezüglichen mikroskopischen Präparate vorgelegt.

Uebrigens ist schon in früheren Jahren eine Betheiligung der Bakterien bei verschiedenen Krankheiten erwiesen worden. So ist es z. B. schon lange bekannt, daß bei Lungenfäulniß (gangraena pulmonum) in dem Auswurfe und in den erkrankten Partien Körnchen und Stäbchen, sowie wellig hin und her gewundene Spirillen vorkommen. Außerdem hat man in der Harnblase des Menschen Bakterien in den verschiedensten Entwickelungsstadien gefunden. Der verstorbene berühmte Professor Traube in Berlin hat vor mehreren Jahren gezeigt, daß die Bakterien in der Harnblase sich massenhaft vermehren und den Harnblasenkatarrh in Eiterung umwandeln. Die Bakterien können von der Harnblase aus in die Nieren einwandern und bewirken daselbst eine Nierenentzündung, wobei zuletzt die ganze Niere zu Grunde

Fig. 3. Fäulnißproducte bei Blasenkatarrh.
(Vergrößerung 600fach linear.)

geht. In Fig. 3 sehen wir das mikroskopische Bild der Spur eines Tröpfchens Urin von einem am Blasenkatarrh Erkrankten. Es finden sich in diesem Bilde sowohl kleine Haufen von Bakterien wie auch rosenkranzförmige und gehäufte Massen von Mikrokokken, ebenso in Reihen gegliederte pilzfädenförmige Bakteriencolonien; die größeren Gebilde sind abgestoßene Zellen aus der Blasenwand, während die dunkleren rundlichen Formen Eiterkörperchen darstellen.

Weiter wurden von solchen Gebilden durchsetzte Geschwüre im Magen und im Darmcanal beobachtet, wo die Bakterien bis in die Blut- und Lymphgefäße eindrangen, so z. B. bei der sogenannten Darmmykosis, welche meist Leute befiel und tödtete, die mit schmutzigen Roßhaaren oder Schweineborsten zu thun hatten und wahrscheinlich beim Essen die Pilzkeime ihrem Körper einverleibt hatten. Auch konnte man solche in der Darmschleimhaut bei Cholerakranken, besonders aber als Krankheitserreger bei der Pyämie und Septichämie (Blutvergiftung) in Hospitälern und Kriegslazarethen nachweisen. Die Bakterien gelangen aus der umgebenden Luft auf die Wunden, verwandeln eine gesund aussehende Verletzung in einen übelriechenden Eiterherd und wandern von da in den Körper ein, wo sich dieselben zu Milliarden vermehren und die Blutvergiftungserscheinungen bedingen. Da, wo durch Bakterien hervorgerufene Eiterung und Entzündung sich festsetzt, zerfallen die Gewebe. Auch für die so sehr gefürchtete Diphtheritis ist es durch vielfache Untersuchungen wahrscheinlich gemacht, daß ihre Entstehung eine Folge von Uebertragung und rascher Vermehrung von Bakterien ist, welche durch ihre unbegreiflich rasche Entwickelung den rapiden Verlauf und den leider oft vernichtenden Ausgang erklären.

Bis in die feinsten Einzelheiten und auf das Genaueste ist der Entwickelungsgang der Bakterien bei der Carbunkelkrankheit nachgewiesen, welche unter dem Namen „Milzbrand“ bei Thieren häufig beobachtet und von diesen oftmals auf den menschlichen Organismus übertragen wird.

Um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß diese mit dem Mikroskope entdeckten Keime auch wirklich bei diesem oder jenem Thiere Krankheitserscheinungen hervorrufen, wird eine möglichst kleine Spur des Krankheitsstoffes dem Thiere eingeimpft; erkrankt dasselbe dann und findet man in dessen Blut wiederum in weitaus größerer Anzahl die gleichen Bakterienformen vor, so ist der Beweis erbracht, daß in der Bakterie wirklich die betreffende Krankheitsursache besteht. In vollkommenster Weise wurde dies bei der scheußlichen Milzbrandkrankheit nachgewiesen, und sind es hier besonders die verdienstvollen Arbeiten des Kreisphysikus Dr. Koch zu Wollstein, welche den unumstößlichsten Beweis für die parasitäre Ursache jener Infectionskrankheit abgegeben haben. Da aber eine neue Theorie immer Zweifler findet, was Herr Dr. Koch auch voraussah, so hat derselbe durch Verbindung seines Mikroskops mit einem photographischen Apparate die Krankheitskeime in ihren Entwickelungsstadien sofort nach der Natur photographirt, sodaß ein Einwand gegen die Objectivität der betreffenden Forschung nicht mehr gemacht werden kann.

Fig. 4. Milzbrand.
(Photoxylographie-Vergrößerung 700fach linear.)

Fig. 4, nach der Natur von Dr. Koch photographirt, zeigt, auf Holz übertragen, Blut eines am Milzbrande verstorbenen Thieres. Man sieht hier die Milzbrandbakterien, in Reihen geordnet, zwischen den Blutkörperchen stäbchenförmig liegen; die tellerförmigen Gebilde sind die bekannten Träger des Lebens, die Blutkügelchen, welche durch die Bakterienstäbe allmählich zerstört und verdrängt werden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_064.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)