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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Signal- oder Weichenhebel ohne Gefahr gleichzeitig in Thätigkeit gesetzt werden können, ist dem Beamten, der die Centralweichenstellung besorgt, außerdem durch eine besondere Tafel, die ihm vor Augen aufgestellt ist, noch ausdrücklich bekannt gegeben. Der Centralapparat ist, wie die Abbildung 1 zeigt, in einem erhöhten Gebäude untergebracht, dessen Glaswände dem Beamten gestatten, den ganzen Bahnhof zu übersehen.

Bei den Personenzügen, welche keine von der Lokomotive aus zu bedienende Bremsen haben, ist behufs Verständigung zwischen dem Fahrpersonal und dem Lokomotivführer eine über sämmtliche Personenwagen hinwegführende Signalleine in Gebrauch, die dazu dienen kann, im Falle der Gefahr den Zug sofort zum Halten zu bringen. Durch das Anziehen der Leine wird nämlich die Lokomotivpfeife geöffnet, und der Führer ist angewiesen, im Falle des Ertönens derselben sofort zu halten. Diese Leine führt oben an den Wagendächern vorüber, und zwar stets an der rechten Seite der Fahrtrichtung; sie ist vom Fenster aus ohne Schwierigkeit zu erreichen. Kommt also etwas Ernstliches vor, sagen wir etwa ein Brandschaden, oder holpert der Wagen, was auf einen Radbruch hindeuten würde, so weiß der Reisende, was er zu thun hat. Er springt an die rechte Seite des Wagens und zieht herzhaft an der Leine. Aber zum Spaß darf er’s nicht thun, denn dann kostet’s 30 Mark, mitunter noch mehr. Bei gemischten Zügen oder Güterzügen mit Personenbeförderung wird die Leine nur bis zum wachhabenden Zugsbeamten, der in der Regel auf den ersten Wagen seinen Platz hat, geleitet; der Reisende kann sie sonach nicht benutzen.

1. Die Centralweichenanlage.
1. Gebäude mit Centralapparat. 2. Das Innere des Gebäudes. 3. Ansicht aus der Vogelschau.

Anstatt der Signalleine wird bei verschiedenen Eisenbahnen, fast durchgängig bei den österreichischen, ein elektrisches Signal benutzt. Durch die sämmtlichen Wagen des Zuges führt eine elektrische Doppelleitung, an welche der Stromerreger nebst Wecker und in den Wagenabtheilungen sowie in den Bremserhäuschen Taster angeschlossen sind. Bei gewöhnlicher Schaltung ist der elektrische Schließungsbogen offen, also außer Wirksamkeit. Wird jedoch ein Taster niedergedrückt oder die Drahtverbindung auseinander gerissen, wie es bei einer Abtrennung von Zugtheilen der Fall sein würde, so tritt der elektrische Strom in Thätigkeit und läßt den warnenden Wecker ertönen.

Der im Nothfalle von den Reisenden zu benutzende Taster, meistens ein durch die Aufschrift „Nothsignal“ kenntlich gemachter Knopf, liegt gewöhnlich hinter einer Papierscheibe, die durchstoßen werden muß, wenn der Knopf zugänglich gemacht werden soll. Der behutsame Reisende wird durch eine rasche Umschau sich beim Einsteigen über diese Dinge unterrichten, um im Augenblicke der Gefahr gerüstet zu sein.

Unstreitig die wichtigste Sicherheitsvorrichtung ist die Bremse. Sie muß um so sorgfältiger konstruiert und gehandhabt werden, mit je größerer Geschwindigkeit die Züge fahren sollen. Die mit der Hand bewegten Spindelbremsen lassen für schnell fahrende Züge manches zu wünschen übrig. Deshalb wurde den Eisenbahnverwaltungen von seiten der Aufsichtsbehörde die Verpflichtung auferlegt, bei allen Zügen, die eine größere Geschwindigkeit als 60 Kilometer in der Stunde haben, durchgehende Bremsen einzurichten, die von der Lokomotive aus bedient werden können. Diese Verpflichtung ist durch verschiedene Bremssysteme erfüllt worden.

In Süddeutschland wird vielfach die Heberleinbremse verwendet. Diese ist eine unter Umständen auch selbstthätig wirkende Zugbremse, bei der sämmtliche Einzelbremsen durch eine über den ganzen Zug hinweggeführte Leine in Verbindung gesetzt werden. Durch Anspannen der Leine werden alle Bremsapparate gelöst, dagegen durch Nachlassen, sowie durch Zerreißen der Leine derart eingerückt, daß die Bewegung des Zuges selbst das Anziehen aller Bremsklötze bewirkt.

Wie dies geschieht, das zeigen die Abbildungen 2 und 3,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_445.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2021)