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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Nr. 21.   1896.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.


Am Pfingstmorgen.
Nach einer Originalzeichnung von R. Püttner.

Fata Morgana.

Roman von E. Werner.

     (20. Fortsetzung.)

Während Ehrwald und Sonneck in dem Hotel des Villenorts am See zusammentrafen, rollte der Wagen, in dem sich Lady Marwood befand, am Seeufer dahin. Man war bereits im September, aber es war ein glühend heißer Tag, wie mitten im Hochsommer. Die Sonne brannte und blitzte auf der weiten Wasserfläche, und drüben an den Bergen sammelte sich dunkles Gewölk, das auf ein Spätgewitter hinzudeuten schien.

Malsburg, die Hartleysche Besitzung, lag nur eine halbe Stunde entfernt. Es war eine große Villa, inmitten eines weiten schattigen Parkes, alles im vornehmsten Stil gehalten. Zenaide übergab dem Diener, der bei der Anfahrt des Wagens herbeieilte, ihre Karte und ließ sich bei dem Herrn des Hauses melden. Nach einigen Minuten erschien denn auch der ehemalige Lieutenant Hartley, jetzt ein stattlicher, ernster Mann, und begrüßte die Dame, zwar mit vollster Artigkeit, aber doch mit kaum verhehlter Verlegenheit und Bestürzung.

„Ah, Mylady, Sie selbst? Wir sind sehr erfreut – leider befindet sich Mistreß Hartley nicht wohl und ist außer Stande –“

„Ich bedauere!“ schnitt ihm Zenaide das Wort ab. „Ich will durchaus nicht stören, Mister Hartley; mein Besuch gilt nur meinem Sohne, der sich in Ihrem Hause befindet und den ich zu sehen wünsche.“

„Mylady, ich weiß nicht –“

„Den ich zu sehen wünsche!“ wiederholte sie mit vollem Nachdruck. „Ich bitte, mich zu ihm zu führen.“

Hartley sah in das Antlitz der schönen Frau, der auch er einst gehuldigt hatte. Ja, sie war noch blendend schön, aber eine andere war sie geworden, und jetzt stand in ihrem Antlitz ein Zug verzweiflungsvoller Entschlossenheit, der ihm zeigte, daß hier jede Ausflucht umsonst sei.

„Percy ist in der Obhut seines Vaters,“ entgegnete er, „und Sie wissen ja, welchen Standpunkt Francis einnimmt. Ich fürchte, Sie haben sich umsonst bemüht, Mylady. Ich selbst bin leider außer Stande –“

„Soll das etwa heißen, daß Sie mir den Eintritt in Ihr Haus versagen?“ fuhr Zenaide auf.

„Mylady, ich bitte Sie –“ Die Stimme des Hausherrn klang in peinlichster Verlegenheit. „Wie können Sie meine Worte so auffassen! Ich glaube doch Herrn Sonneck bewiesen zu haben, wie gern ich bereit bin, Ihnen meine Dienste anzubieten, aber ich habe wirklich nicht das Recht, hier eigenmächtig zu handeln, gegen den Willen Ihres Gemahls. Sie werden sich an ihn selbst wenden müssen.“

„Gut, so benachrichtigen Sie ihn von meiner Ankunft! Ich war gefaßt auf diese Begegnung, als ich hierher kam.“

Hartleys Miene verriet, daß er diese Begegnung fürchtete; doch es blieb ihm nichts übrig, als sich der mit so großer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0341.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)