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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

offen darlegte. Zunächst sahen wir mehrere zerstörte und verlassene, einstmals aber gewiß ganz wohnlich gewesene Einsiedeleien, deren es 12 giebt. Den Besuch der einen werde ich nie vergessen. Von einer tieferen Stufe der Schlucht ragte vor mir ein Riesenkegel von vielleicht 600 Fuß senkrecht empor. Ungefähr in der Mitte der Höhe seiner glatten Wand sahen wir, mir wenigstens erschien es täuschend so, das angemalte Bild eines verfallenen Häuschens, denn Körper schien mir das Ding nicht zu haben und – nach einer halben Stunde saßen wir in dieser kleinen Ruine der Einsiedelei und verzehrten einen mitgenommenen Imbiß. Wie wir dahin gekommen sind, weiß ich jetzt kaum mehr; nur so viel weiß ich, daß ich, hätte ich vorher von unten Menschen darin gesehen, ich sie für verlorene Verbannte oder für Verzauberte gehalten haben würde. Oft fragten wir mit einigem Grausen unseren munter voranschreitenden Führer, der mit seinen nachgiebigen Sandalen einen sicheren Tritt hatte, „dahinauf“ oder „dahinunter sollen wir?“ Doch es ging überall glücklich für alle Drei. Der Zauber der herrlichen Natur strömte Kraft und Muth durch unsere Leiber. Ich fand in der Schlucht die Pflanzenwelt viel üppiger als auf dem südlichen Abhange. Meine Mütze war nun ringsum mit duftenden Zweigen besteckt, jetzt kam ein frisches Lorbeerreis dazu und nun umweheten mein Gesicht die süßen Düfte dieses Dichterbaums wie die Seufzer der vor dem Apollo fliehenden Daphne. Ich hatte den balsamischen Duft des frischen Lorbeers noch nicht gekannt und nicht geahnet. Der Buchsbaum schoß in der Schlucht zu Stämmchen von 4–5 Ellen empor. Ich brach mir eins der schlankesten zu einem Stocke ab. Das feine harte Holz sprang leicht, fast wie Glas, vom Wurzelstocke ab.

Plötzlich traten wir dicht an den jähen Schlund und tief unter uns lag – vielleicht die malerischeste Lage eines Hauses – in schwindelnder Vogelperspective das Kloster des Monserrat oder wie sein Name ist Convento de Nuestra Sennora del Monserrate. An den steilen Wänden der Schlucht abwärts steigend, waren wir nach einer halben Stunde in der – Wiege des Jesuitismus, denn hier hat Ignatius Loyola seine weitverzweigende „Gesellschaft Jesu“ erdacht. Und wahrlich, man muß den Monserrat durchstiegen und wie wir, seine Wanderung durch denselben am Kloster geendigt haben, um die furchtbare Gewalt und Consequenz des Loyola’schen Systems zu begreifen. Durchdrungen, wie ich es bin, von der Ueberzeugung, daß die Umgebung zu einem großen Theile den Menschen und seine Gedanken macht, konnte ich begreifen, wie gerade hier der Jesuitismus erdacht sein konnte. Ein Mönch, an den wir empfohlen waren, zeigte uns in schwindelnder Höhe über dem Kloster die Mauerüberreste einer kleinen Klause, wie ein Schwalbennest auf die Spitze eines Felsenkegels geklebt, wo der furchtbare Mann die Schlingen und Ketten seines Netzes erfunden, oder, wie der Mönch sagte, in heiligen Bußübungen Tage und Nächte verbracht hat. Was die kühnste Phantasie eines Malers ersinnen kann, – um das Kloster herum ist es überboten. Es liegt am östlichen Ausgange der Schlucht, welche das ganze Gebirge tief spaltet. Hier erheben sich die mächtigen Felsenkegel zum Theil unmittelbar aus den schäumenden Wellen des Llobregat und überragen das gegen 2000 Fuß über dem nahen Mittelmeere gelegene Kloster noch um ein Bedeutendes. Ihre Spitzen gestalten sich gerade hier zu den bizarresten Formen. Aus den Fenstern der Südseite sieht das Auge an den schroffen Felsen, die Oeffnung der Schlucht begrenzend, bis an das Meer, in welchem man bei hellen Wetter die Berge der balearischen Insel Malloria sehen kann. Nach Osten liegt vor dem Beschauer jenseits des nahen Llobregat ein bunt durcheinander geworfenes Berglabyrinth, welches je weiter, desto mehr ansteigt und über welches zuletzt der weiße Scheitel des Monseny hervorblickt. In der unmittelbaren Nähe des Klosters herrscht das ganze Jahr hindurch eine Todtenstille, denn nur seltene Besuche Fremder und Solcher, welche dem einsamen Mönchsleben die Bedürfnisse zuführen, kommen bis hieher. Kaum ein Vogel, die überhaupt in Spanien sehr mangeln sollen, unterbricht die zur Beschaulichkeit einladende Stille dieses zauberischen Plätzchens unserer Mutter Erde.

Doch ich muß zum Ende drängen, wie unser Führer zum Aufbruch drängte, nachdem wir flüchtig die Klostergebäude, seit der Zerstörung durch die Franzosen größtentheils in Ruinen liegend, durchwandert waren. Es sollte noch zu der Tropfsteinhöhle gehen. Schon war es 4 Uhr und noch sollten wir bis zur Höhle eine volle Stunde brauchen. Der Weg führte uns abermals an den kaum gangbaren Wänden der Schluchten hin, wobei zwischen uns und dem Tode hundertmale kaum ein Fuß breit sicheren Bodens war. Endlich waren wir vor der Höhle. Ich wagte es nicht mit hineinzugehen, weil ich zu sehr erhitzt war und nichts sehen mochte, was ich in der Adelsberger Höhle in Illyrien viel schöner gesehen hatte. Ich mochte den Monserrat, von dem ich bezaubert war, in seiner jedenfalls viel weniger schönen Höhle nicht bemäkeln. Ich setzte mich einstweilen auf einen Stein am Eingange der Höhle. Vom Thale aus habe ich wahrscheinlich wie ein kleines Menschenbild, auf die vollkommen senkrechte Wand hingemalt, ausgesehen. Ich hatte keine Ahnung davon, wie hier hinunter zu kommen sein sollte, und, ich muß es gestehen, es wurde mir fast um mein Leben bange. Denn um Knochen handelte es sich hier nicht blos. Ich wußte, daß es einer Strickleiter bedürfen würde und daß zu unserem Heruntersteigen noch 2 Gehülfen von Colbató hierher beordert waren, welches tief unten zu meinen Füßen lag. Es ging aber für Alle glücklich von Statten, obgleich an zwei Stellen der Fehltritt eines Zolles der Kaufpreis unseres armen Lebens gewesen sein würde. Doch war mir für diesen halsbrechenden Schluß der Hochgenuß des Tages nicht zu theuer erkauft, obgleich ich mir und den abwesenden Meinigen stillschweigend das Wort gab, solche augenscheinliche Gefahren hinfüro hübsch zu vermeiden.

Leider gelang es mir nicht, in Barcelona ein erträgliches Bild des wunderbar schönen Monserrat zu finden. Ueberhaupt steht die Kunst in Spanien auf einer sehr tiefen Stufe. In dem großen Barcelona sah ich von Lithographien eigener Fabrik nur elende Machwerke. Desto mehr habe ich mich gefreut, im Kloster des Monserrat in die Fußtapfen eines Frankfurter Freundes, des berühmten Landschaftsmalers Fritz Bamberger, zu treten. Er hat im vorigen Sommer in den reizenden Labyrinthen des Monserrat fleißig gezeichnet. Vielleicht erhalten wir durch ihn bald ein treues Bild dieses Naturwunders.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_206.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)