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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 21. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter für 10 Ngr. vierteljährlich zu beziehen.


Der Stadthauptmann von Lüneburg.

Historische Erzählung aus der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts.
Von
Ed. Gottwald.
(Fortsetzung.)

In diesem Augenblicke wendete sich im Vorgemach der lüneburgische Kriegshauptmann Becker, welcher deutlich des Herzogs Stimme vernommen und nun überzeugt war, daß der Absagebrief in des Magnus Hände gelangen mußte, an einen der wachthaltenden Trabanten, indem er das zusammen gebrochene Pergament unter seinem Brustharnisch hervorzog.

„Hört, Trabant!“ begann er, „es wird nicht nöthig sein, daß ich selbst dies Schreiben unsers Commandanten vom Kalkberge dem Herzog Magnus übergebe, da eben, wie ich vernommen, Kriegsrath gehalten wird. Seid so gut und tragt es dann hinein, ich will in der Hofküche auf Antwort warten, denn Ihr werdet wohl begreifen, daß wenn man zwölf Stunden nicht aus dem Sattel gekommen, Hunger und Durst nicht fehlen.“

„Wie Ihr wollt, Herr Ritter,“ entgegnete der Trabant und nahm das Pergament in Empfang.

„Es braucht auch nicht gleich zu sein,“ warf Becker gleichgültig hin: „Laßt die Herren da drinnen immer noch eine feine Weile sich berathen und streiten, kaum bleibt mir und meinem todtmüden Rosse Zeit uns zu kräftigen zum Heimritt, denn wahrscheinlich muß ich heute noch zurück nach Lüneburg, des Herzogs Antwort zu überbringen.“

„Schon gut,“ brummte der Trabant, während Becker sich langsam entfernte, dann aber mit schnelleren Schritten die Gänge und Höfe durcheilte und bald, am äußeren Burghofe angelangt, dort den Stallbuben mit seinem Rosse fand.

„Hier, nimm Bube,“ rief er und warf diesem ein Goldstück zu, indem er ihm die Zügel abnahm und sich in den Sattel schwang.

„Wohin so eilig, Herr Ritter,“ – frug der Rottmeister, welcher ihm neugierig gefolgt und auf die versprochene Mittheilung zu warten schien.

„Nach Soltau, auf Kundschaft, heut’ Abend schon wieder hier!“ rief schnell gefaßt Becker, gab seinem Rosse die Sporen und jagte zum Burgthore hinaus, während der Stallbube staunend sein Goldstück betrachtete, der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_219.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)