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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Geist eines Mannes abspiegelt, der, frei von allen phantastischen Träumereien, nur den Eingebungen des Verstandes folgt, und der auf das innigste davon überzeugt ist, daß Handel und Industrie, die beiden großen Pulsadern der gesellschaftlichen Zustände, die thätigsten und wirksamsten Verbreiter der Civilisation sind, je weniger sie in ihrem Aufschwunge gehemmt werden. Und in der That hat Richard Cobden, der einfache Kattunfabrikant von Manchester, seit seiner funfzehnjährigen öffentlichen Thätigkeit für diese seine Ueberzeugung rastlos gewirkt, und den, von ihm verfochtenen Grundsätzen des Freihandels-Systems einen so glänzenden Sieg errungen, daß sein Name als einer der bedeutungsvollsten hervortritt in der neuesten nationalökonomischen Entwicklung des gesammten britischen Weltreichs.

Indessen begann Cobden nicht unvorbereitet seine öffentliche Laufbahn. Um sich einen tieferen Blick in die Verhältnisse der Zeit und in die Zustände verschiedener Länder zu verschaffen und sich Erfahrungen einzusammeln, unternahm er im Frühjahre 1837 eine längere Reise, die ihn besonders nach der Türkei, Aegypten und Griechenland führte. Seine Beobachtungen und Erlebnisse theilte er zu Anfange des Jahres 1841 in einer schottischen Zeitschrift mit, und machte sich dadurch als einen rein praktischen Mann und scharfen Beurtheiler bekannt. Doch schon bald nach der Rückkehr von seiner Reise hatten ihm die gedrückten Verhältnisse der Fabrikarbeiter wie überhaupt der Manufakturthätigkeit Gelegenheit geboten, öffentlich gegen die drückende Herrschaft des Monopolsystems, hauptsächlich aber der Korngesetze[1], die zu Gunsten der reichen Grundbesitzer auch bei den ergiebigsten Ernten den Preis des Brotes auf einer bestimmten Höhe erhielten, aufzutreten und sich in seiner Vaterstadt Manchester mit mehreren gleichgesinnten Freunden zu verbinden. Cobden’s erstes Auftreten gegen das Monopol und seine Vertheidiger entging zwar der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht, aber der Anfang war an sich zu unbedeutend, als daß es die stolzen Landlords hätten der Mühe werth erachten sollen, wider den gegen sie ankämpfenden Kattunfabrikanten zu Felde zu ziehen, um so mehr, da die Trennung zwischen den Ackerbautreibenden und den Fabrikdistrikten Englands noch eine viel zu schroffe war, und man unter den Ackerbauern leicht die Ansicht verbreiten konnte, daß Cobden nur auf Kosten des Landbebauers die Fabrikanten und ihre Arbeiter bereichern wollte. Gegen diese falsche Ansicht, die sich nur auf ganz verkehrte nationalökonomische Grundsätze stützen konnte, mußte entschieden angekämpft werden, und da dies weder einem Einzelnen noch einigen, wenn auch durch gleiche Meinung vereinigten Männern mit nachhaltigem Erfolge würde gelungen sein, so wurde hauptsächlich auf Cobden’s Antrieb im September 1838 zu Manchester der Verein gegen die Korngesetze (Anti-Korngesetz-Verein) gegründet, an dessen Spitze Cobden als einer der Hauptbegründer trat und bis zu dem großen Triumphe, den die Lehren dieses Vereins davon trugen, die Seele desselben blieb. Von diesem Augenblick an begann, unter der Leitung Cobden’s und seiner näheren Freunde (Wilson, Bright, Villiers, Tompson u. A.), der Kampf gegen die Korngesetze, die Hauptstütze der Aristokratie Englands, nach einem bestimmten Plane, mit einer gewissen Berechnung; und wenn sich der Verein auch vorzüglich die Vernichtung dieser drückenden Gesetze zum Hauptziele gesteckt hatte: so richtete er gleichzeitig seine Waffen auch gegen alle Handelsbeschränkungen, gegen das Monopol im Allgemeinen und pflanzte die Fahne des Freihandelssystems auf. Wie lange dieser Kampf dauern würde, war, da es die Gegner des Anti-Korngesetz-Vereins nicht an hartnäckiger Gegenwehr fehlen ließen, nicht zu berechnen; es hing Alles daran, die öffentliche Meinung für die Ansichten zu gewinnen, daß billiges Brot wie überhaupt Billigkeit der nothwendigsten Nahrungsmittel und freie Konkurrenz im Handel und Verkehr nicht einer Klasse der Gesellschaft, sondern allen Klassen gleiche Vortheile bieten, und dies konnte nur durch eine friedliche, aber zugleich auch großartige Agitation, wie sie die freien Institutionen Englands gestatten, erreicht werden.

Mit unermüdlicher Anstrengung war Cobden für den Verein thätig, und kaum hatte er durch seine Bemühungen demselben eine Anzahl einflußreicher Männer in Manchester gewonnen und in öffentlichen Versammlungen in einfacher, klarer Rede den gewaltigen Druck nachgewiesen, den die Korngesetze auf den gesammten Verkehr ausübten, so bildeten sich in kurzer Zeit, nach dem Muster des Hauptvereins in Manchester, in allen Fabrikdistrikten Zweigvereine, in deren Versammlungen ganz nach der, von Cobden vorgeschriebenen Taktik verfahren wurde.

Aus unscheinbaren Anfängen war der Verein bis zum Jahre 1841 schon zu solcher Bedeutung gelangt, daß er während der um die Mitte dieses Jahres eintretenden Parlaments-Auflösung, der sofort eine neue Wahl folgte, eine in vieler Beziehung wichtige Rolle spielte. Cobden, längst in ganz England gekannt, auch von vielen seiner Gegner gefürchtet, trat bei der Neuwahl in Stockport als Bewerber um einen Sitz im Unterhause auf und wurde mit überwiegender Mehrheit gewählt. Die Zahl der Korngesetzgegner so wie der Kämpfer gegen das Monopolsystem war im Unterhause bis jetzt nur klein gewesen, durch die Wahl von 1841 wurde sie ansehnlich verstärkt, und daß Cobden selbst, der Hauptführer der Freihandelspartei nun auch parlamentarisch für die Wahrheit seiner Ansichten kämpfen konnte, erhöhte die Wichtigkeit seiner Person wie die Sache des Vereins außerordentlich. Aber Cobden und seine Freunde mußten auch jetzt ihre Anstrengungen verdoppeln, denn mit dem 1. September 1841 trat Sir Robert Peel, der Führer der torystischen Partei, an die Spitze der Regierung, und wenn auch von diesem klugen und vorsichtigen Staatsmanne zu erwarten stand, daß er sich bei allen das Zoll- und Finanzwesen betreffenden Fragen nur durch die Forderungen der öffentlichen Meinung leiten lassen würde: so war doch gerade von ihm keine freiwillige Annahme der Grundsätze zu erwarten, deren Verwirklichung Cobden zur Aufgabe seines Lebens gemacht hatte. Ein energischer Charakter indessen läßt sich durch Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellen, nicht von der Verfolgung eines einmal aufgesteckten Zieles abschrecken. Gerade von dem Augenblicke an, wo Sir Robert Peel die


  1. Die Korngesetze besteuern eingeführtes Korn im Verhältniß zu dem Preise, den das im Lande gewonnene Korn auf dem Markte hat. Steht der englische Marktpreis hoch, so ist der Einfuhrzoll niedrig, im umgekehrten Falle wird der Einfuhrzoll erhöht, so daß eine Konkurrenz des fremden Korns mit dem einheimischen gar nicht möglich ist.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_246.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)