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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Leitung der Geschäfte übernahm, arbeitete Cobden mit der ganzen Kraft seines thätigen Geistes daran, den Anti-Korngesetz-Verein zu einer Macht zu erheben. Versammlungen über Versammlungen wurden gehalten, zahllose Schriften über das Schädliche der Korngesetze und die segensreichen Folgen der Vernichtung derselben im ganzen Lande verbreitet, Lehrer der Volkswirthschaft angestellt und gleichsam als Sendboten ausgeschickt, um überall, auch in den kleinsten Orten, Vorlesungen zu halten und die Wohlthaten des Freihandelssystems dem Volke anschaulich zu machen. Alle diese Schritte und Maßregeln überwachte Cobden mit scharfem Blicke, und der erste Lohn seiner Anstrengungen war der, daß der Premierminister Sir Robert Peel, als er am 9. Februar 1842 im Unterhause seine Zoll- und Finanzgesetze vorlegte, nicht nur an den alten Korngesetzen durch wesentliche Abänderungen des früheren Zollsatzes rüttelte, sondern auch eine so bedeutende Reduktion des allgemeinen Zolltarifs vornahm, daß dadurch den von Cobden und seinen Freunden vertretenen Prinzipien wenigstens der Anfang einer Bahn gebrochen würde.

Die Art und Weise, wie Robert Peel seine Zollreformen eingeleitet, ließ mit Gewißheit voraussehen, daß er zu umfassenderen Zollverbesserungen geneigt sei und nur die hierzu passende Zeit abwarte. Cobden hielt es demnach für unumgänglich nöthig, daß der Anti-Korngesetz-Verein nach allen Seiten hin seine Anstrengungen verdoppele, vornehmlich aber darauf hinwirke, die Bevölkerung der Ackerbau-Distrikte, die Pächter, für die Lehren des Vereins zu gewinnen und dahin zu überzeugen, daß das wohlfeile Brot, was der Fabrikarbeiter verzehre, auch ihnen Vortheil bringe, daß also die Aufhebung der Korngesetze auch ihre Lage wesentlich verbessern werde. So schwierig diese Aufgabe war, weil gerade in den Ackerbaudistrikten der Einfluß der Grundherren überwiegend war, so wurde sie doch zum größten Theile gelöst, und bis zum Jahre 1845 war der Anti-Korngesetz-Verein zu einer solchen Macht angewachsen, und das Volk im Allgemeinen für die, von Cobden und seinen Freunden gepredigten Grundsätze in so hohem Grade gewonnen, daß die Verfechter des Monopols, die reiche Geldaristokratie, der nächsten Zukunft mit Zittern und Zagen entgegensahen. Die Organe der Vollblut-Tories erschöpften sich in Schmähungen gegen den „Demagogen und Aufwiegler“ Richard Cobden, und doch war seit dem siebenjährigen Kampfe, den der Anti-Korngesetz-Verein führte, noch kein Tropfen Blut vergossen, nirgend Ruhe und Ordnung gestört, niemals ein bestehendes Gesetz verletzt worden. Bald sollten die Tories es erleben, daß der ihnen verhaßte Cobden vollständig und für immer den Sieg über sie davon tragen werde.

Eine seltsame Naturerscheinung kam den Bestrebungen Cobden’s und seiner Freunde zu Hülfe. Im Herbste des Jahres 1845 brachte die, bis dahin unbekannte Kartoffelkrankheit wie einen Theil des Kontinents, so auch England, namentlich Irland, dessen Bewohner auf die Kartoffel als ihr Hauptnahrungsmittel angewiesen sind, in nicht geringe Noth. Alle Nachrichten, die Robert Peel über den Ausfall der Kartoffelernte in Irland anstellen ließ, bestätigten die schreckliche Aussicht, daß, wenn nicht ungesäumt Hülfe geschafft werde, das furchtbarste Elend über die unglückliche Insel hereinbrechen müsse.

Die Kartoffelseuche brachte eine momentane Ministerkrisis hervor, weil sich die Räthe der Krone über freie Getreideeinfuhr nicht einigen konnten. Endlich siegte doch Robert Peel’s Ansicht, und gestützt auf die öffentliche Meinung und die wirklich Achtung gebietende Macht des Anti-Korngesetz-Vereins, der gerade in dieser Zeit, auf Antrieb Cobden’s, die beispiellosesten Anstrengungen gemacht hatte, trat der Premierminister am 27. Januar 1846 in einer mehrstündigen Rede mit seinen neuen Zollgesetzen auf, erklärte das Bestehen der Korngesetze für rein unmöglich und bekannte sich offen zu den Grundsätzen einer freisinnigen Handelspolitik.

Das war der Augenblick, wo Cobden den größten Triumph feierte. Zwölf Nächte hindurch wurde im Unterhause mit furchtbarer Erbitterung gestritten, aber leider lag der Mann, auf den jetzt die Augen von ganz England gerichtet waren, Richard Cobden, in Folge der großen Anstrengungen krank darnieder und nur bis gegen Ende des parlamentarischen Kampfes erholte er sich so weit, daß er der Schlußdebatte beiwohnen und als einer der letzten Redner das Wort für seine Lehre ergreifen konnte. Mit überwiegender Majorität wurden Peel’s Vorschläge angenommen, und ihre Annahme wurde im ganzen Lande als der glänzendste Sieg Cobden’s und des von ihm geleiteten Vereins gefeiert, und ihm, der dem Interesse der großen Sache einen bedeutenden Theil seines Vermögens geopfert, auch sein eigenes Geschäft vernachlässigt hatte, eine Nationalbelohnung bewilligt, reich genug, um ihn als ganz unabhängigen Mann hinzustellen.

Nachdem sich Cobden wieder erholt, trat er eine große Reise durch die Kontinentalstaaten Europa’s an und ward überall mit Achtung und Bewunderung aufgenommen. Auf der Bahn, die er gebrochen, sind die englischen Staatsmänner bis jetzt rüstig vorwärts gegangen; seit 1849 haben die Korngesetze faktisch aufgehört und mit jedem Jahre haben die Grundsätze des Freihandelssystems sich weiter ausgedehnt, da die überwiegenden Vortheile desselben so sehr in die Augen springen, daß selbst die eingefleischtesten Anhänger des Monopols es nicht mehr wagen, offen für dasselbe aufzutreten. Das letzte Tory-Ministerium, an dessen Spitze Graf Derby stand, machte zwar während seines kurzen Bestehens die verzweifeltsten Anstrengungen, die Korngesetze in sehr mäßiger Weise wieder herzustellen; aber die Drohung Richard Cobden’s, daß dann auch der Anti-Korngesetz-Verein sofort wieder in’s Leben treten werde, benahm den Monopolrittern alle Luft und sie selbst gaben ihr Vorhaben auf. Bei dem Zurücktritte des Derby’schen Ministeriums glaubte man allgemein, daß Richard Cobden Mitglied des neuen Cabinets werden würde; dies ist aber nicht geschehen; jedoch steht mit Gewißheit zu erwarten, daß der Besieger der Korngesetze, der immer noch unermüdliche Agitator für vollständige und uneingeschränkte Annahme des Freihandelsytems vielleicht schon in der nächsten Zukunft eine einflußreiche Rolle als Staatsmann spielen werde.

Cobden wird jetzt ungefähr fünfzig Jahre alt sein und dürfte bei seiner thätigen und mäßigen Lebensweise ein hohes Alter erreichen, so daß es ihm wahrscheinlich noch beschieden ist, in seinem Vaterlande allgemein den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_247.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)