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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

und geheimnißvolle Wirkung hervorgebracht? Nichts als einige Strahlen Mondscheins in das Fenster meines Schlafzimmers.

Ich dachte noch über das Picnic, unsere Lustigkeit beim Nachhausegehen und die junge, sentimentale Lady nach, die Byrons Childe Harold citirte, weil es Mondschein war. Ich war in diese vergangenen Scenen und Freuden ganz vertieft, als in einem Augenblicke der Faden, an dem meine Erinnerungen hingen, völlig abriß, meine Aufmerksamkeit zu den gegenwärtigen Dingen lebhafter als je zuvor zurückkehrte und ich mich selbst, ohne zu wissen, wie und weshalb, wieder auf das erwähnte Gemälde hinstarrend fand.

Hinstarrend wegen was? Ei du mein Himmel! Der Mann hat seinen Hut abgenommen! Nein! – Der Hut selbst ist fort. – Wo ist die kegelartige Krone? Wo sind die Federn? Drei weiß und zwei grün? Nicht da! Statt des Hutes und der Federn, welcher düstere Gegenstand bedeckt ihm die Stirn? – die Augen? – die beschattende Hand? Bewegt sich mein Bett?

Ich wendete mich auf den Rücken und sah empor. War ich wahnsinnig? trunken? träumend? – oder bewegte sich der Betthimmel wirklich herab – sank langsam, regelmäßig, schweigend, furchtbar, gerade herunter in voller Länge und Breite – herunter auf mich, der ich unter ihm lag?

Mein Blut schien still zu stehen; eine tödtliche, versteinernde Kälte überlief mich, als ich meinen Kopf auf dem Kissen wandte und entschlossen war, mich zu überzeugen, ob der Betthimmel sich wirklich bewege, indem ich mein Auge auf den Mann auf dem Bilde richtete. Der erste Blick in dieser Richtung hin genügte. Die schwarze, schmutzige Außenlinie des Bettkranzes über mir brauchte nur noch einen Zoll, um mit dessen Leibe parallel zu stehen. Doch sah ich athemlos darauf. Und fortwährend und langsam – sehr langsam sah ich die Gestalt und den Rahmen unter der Gestalt verschwinden, so wie der Bettkranz sich vor ihm herabsenkte.

Ich bin meiner Natur nach alles andere, nur nicht furchtsam. Ich bin mehr als einmal in Lebensgefahr gewesen und habe keinen Augenblick mein kaltes Blut verloren, aber als die Ueberzeugung nur erst von meinem Verstande Besitz genommen hatte, daß sich der Betthimmel wirklich bewege, und fort und fort auf mich herabsinke, blickte ich schaudernd, hülflos und furchterstarrt doch einen oder ein paar Momente unter der Mordmaschine empor, die sich immer näher und näher zu mir herabsenkte, um mich da, wo ich lag, zu ersticken.

Da trat der Instinkt der Selbsterhaltung ein und stärkte mich, mein Leben zu retten, so lange es noch Zeit sei. Ich stieg sehr ruhig aus dem Bette und zog schnell meine Oberkleider an. Das Licht, völlig abgebrannt, ging aus. Ich setzte mich in den Armstuhl neben mir und beobachtete nun, wie sich der Betthimmel immer mehr langsam herabsenkte. Ich war im eigentlichen Wortverstande durch Zauberei gefesselt. Hätte ich Fußtritte hinter mir gehört, so würde ich mich doch nicht haben umdrehen können. Wäre ein Weg zur Rettung mir durch ein Wunder geöffnet worden, ich würde mich nicht haben bewegen können, um Gebrauch davon zu machen. Das ganze Leben in mir war in diesem Augenblicke in meinen Augen concentrirt.

Er stieg herab – der ganze Betthimmel mit seinen Behängen umher kam herab – tiefer – und immer tiefer, so daß kein Raum mehr da war, auch nur einen Finger zwischen ihn und das Bett zu stecken. Ich fühlte zur Seite und ward inne, daß das, was mir von unten der gewöhnliche leichte obere Aufsatz eines Bettes auf vier Pfosten geschienen hatte, in der That eine breite, dicke Matratze sei, deren Bestandtheile durch den Bettkranz und die Fransen verborgen ward. Ich blickte empor und sah die vier Pfosten widerwärtig nackt sich erheben. In der Mitte des Bettes befand sich eine schwere hölzerne Drehschraube, die offenbar durch eine Oeffnung in der Decke herabgekommen war, so wie gewöhnliche Pressen auf die Gegenstände herabgesenkt werden, auf die man Druck ausüben will. Der furchtbare Apparat bewegte sich ohne das mindeste Geräusch. Man hatte kein Krachen gehört als er herabkam, es erscholl von oben herunter nicht das mindeste Getös. Inmitten eines schrecklichen, tödtlichen Schweigens sah ich vor mir – im neunzehnten Jahrhunderte und in der civilisirtesten Hauptstadt Frankreichs – so eine Maschine für geheimen Mord durch Erstickung, wie sie einst vielleicht in den schlimmsten Tagen der Inquisition, in den abgelegensten Gasthäusern der Harzgebirge, in den geheimnißvollen Vehmgerichten Westphalens existirt haben mochte. Und doch konnte ich, als ich so hinblickte, mich nicht von der Stelle rühren, ja kaum Athem holen, doch bekam ich die Kraft zu denken wieder und begriff im Augenblicke die mörderischste Verschwörung gegen mich mit allen ihren Schrecken.

Mein Trank in der Kaffeetasse war mit etwas vermischt worden, und zwar allzu stark. Ich war dadurch gerettet, daß die Dosis für einen Schlaftrunk allzu heftig war. Wie hatte ich in meinem Fieberanfalle, der mein Leben dadurch gerettet, daß er mich wach erhalten, aber auch geglüht und gefroren! Wie rücksichtslos hatte ich mich den beiden Bösewichtern anvertraut, die mich in dieses Zimmer brachten und entschlossen waren, mich hier um meines Gewinnstes willen auf die furchtbarste und sicherste Weise in meinem Schlafe um’s Leben zu bringen. Wie viele Personen die gewonnen hatten, mochten schon in diesem Bette geschlafen haben, wie ich es mir vorgenommen, ohne daß man jemals von ihnen ein Wort wieder gehört. Ich schauderte, als ich daran dachte.

Nicht lange aber, so war wieder alles Nachdenken bei dem Anblicke des mörderischen Betthimmels mir vergangen, der sich immer noch bewegte. Nachdem er etwa zehn Minuten lang auf dem Bette geblieben, so fing er an, sich wieder zu erheben. Die Bösewichter, welche von obenher darauf wirkten, glaubten offenbar, daß ihr Vorsatz nun erreicht sei. Langsam und still, wie er herabgestiegen war, erhob sich dieser schreckliche Betthimmel nun auch wieder in die Höhe. Als er die obern Enden der vier Bettpfosten erreicht hatte, befand

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_332.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)