Seite:Die Gartenlaube (1853) 480.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

sich dann ein kleiner Schützen, in welchem sich eine Spule mit Nähfaden befindet. Wird nun die Nadel wieder zurückgezogen, so zieht zu gleicher Zeit der Nadelfaden den Schützenfaden mit in’s Zeug hinein, so daß jeder Stich gleich zwei in einander gehängten Fadenschleifen ist. Nach jedem Stich wird das Zeug durch eine Klinkvorrichtung um eine Stichweite vorgeschoben, während es zwischen einem feilenartig aufgehauenen Rad und einem Stahlfinger gehalten wird. Aus dieser Beschreibung des Spiels der Nadel ergiebt sich von selbst: daß die Nadel aus demselben Stichloche, durch welche sie in das Zeug gegangen, auch wieder herauskommt und nicht wie gewöhnlich einen Stich weiter. Der Schützen geht, während die Nadel in die Höhe steigt, wieder an seinen alten Platz zurück, um, wenn die Nadel auf’s Neue durchsticht, sofort wieder durch die Schlinge zu fahren. Dieses Spiel wiederholt sich fortwährend. Es ist eine Art „Nahtweben“. Welche Mechanismen nun aber in Thätigkeit sind, um sowohl Nadel als Schützen sammt Fäden, jene auf und nieder, diesen hin und her, zu bewegen, darüber geben wir gern in unseren technischen Schriften und daheim in unserer schriftstellerischen Werkstatt Auskunft. Die Gartenlaube aber – wäre wohl dazu geeignet, wenn wir neben einer holden Fragerin säßen und ihr die Finger mit der Nadel führten, um zu zeigen, wie so wunderbar sich die Maschinenglieder bewegen, und um groß zu thun mit unserer Kenntniß von den Stichen, als z. B. Steppstich oder Hinterstich, Vorstich und Saumstich, Knopflochstich und Hexenstich, Kettenstich und Kreuzstich, Plattstich und Spitzenstich, Gobelinstich und Hohlstich, überwendlicher und geheimer Stich u. s. w. u. s. w.

Wenn wir nun aber in’s Gedächtniß zurückrufen, daß unsere deutsch-amerikanische Nähmaschine – denn wir haben den guten Glauben, daß sie ursprünglich eine deutsche, später ausgewanderte Erfindung ist – nur einen Stich, nämlich den Steppstich, und diesen nicht einmal ganz kunst- oder nadelgerecht zu machen versteht, so wird man uns gewiß beistimmen, daß den fleißigen Fingern noch eine Menge Nadelstiche übrig bleiben, und nur ein einziger nicht möglich sei, wie das spanische Sprüchwort, jedenfalls mit Unrecht, behauptet:

Zwischen des Weibes Ja und Nein
Geht kein Nadelstich hinein! – 




Skizzen aus meinem Leben.

Von Ludwig Storch


Niemand hat wohl mehr und bessere Gelegenheit, seine Zeit und sein Volk, wie es eben von den Mitlebenden repräsentirt wird, kennen zu lernen und im Schriftwerk darzustellen, als der deutsche Schriftsteller, der nicht allein in der Schreibstube, sondern auch auf dem Lebensmarkt gealtert ist. Ich meine natürlich nicht jenen sogenannten Schöngeist, der blos Novellen und bunte Geschichten nach dem alten Schneidermaße angefertigt hat, um sie an ein beliebiges Journal oder an einen Verleger für ein kleines Honorar zu verkaufen, jenen fleißigen Commißbrotbäcker für den widerwärtigen geistigen Heißhunger einer abgespannten traurigen Klasse der Gesellschaft, die zur Fristung ihres armseligen Geisteslebens der unausgesetzten Lectüre schlechter Romane bedarf, und der durch Befriedigung jenes unnatürlichen Hungers die Mittel zur Stillung seines eigenen natürlichen beschafft. Ihn kann ich nicht meinen; er ist ein unseliger Mann, der nicht mitzählt, wenn vom deutschen Schriftstellerthum die Rede ist. Ich meine auch nicht die Herren, die es durch die Kunst ihrer Feder zu einträglichen Staatsämtern und schönklingenden Titeln gebracht haben.

Wenn ich vom deutschen Schriftsteller rede, der berufen ist, ein treues Bild seiner Zeit zu liefern, so kann ich nur den Mann meinen, der an Kopf und Herz gleich gut begabt, die Dinge ohne Furcht und Galle abschildert, wie er sie sieht, der festen Schrittes seinen, wenn auch rauhen Weg verfolgt, und weder nach rechts noch nach links liebäugelt und nach Gunst und Gold strebt. Gottlob! es giebt in Deutschland gerade nicht wenig solcher Männer, und wenn ich mich ohne Ziererei und falsche Bescheidenheit zu ihnen zähle, so darf ich wohl von mir behaupten, daß ich nie Furcht gekannt und nie Liebedienerei getrieben und das Kind immer beim rechten Namen genannt habe. Ich bin auch nie in Ungewißheit darüber gewesen, welche Früchte mir meine offen dargelegte Gesinnung einbringen würde, und ich habe mich, als sie mir zuwuchsen, weder über die Bitterkeit derselben beklagt noch Andere beneidet, welche durch ihre Klugheit reichere und schmackhaftere Ernten einsammelten. Die Menschen und Verhältnisse, von welchen mein Lebensweg berührt und durchkreuzt wurde, habe ich mit gesundem Auge angesehen und mit wahrhaftiger Feder geschildert. Es ist das ein hübsches und interessantes Buch geworden, das ich freilich jetzt noch nicht drucken lassen kann, das aber gewiß gedruckt und der Welt übergeben werden wird. Man wird da manche bekannte Persönlichkeit unserer Tage darin finden, vielleicht etwas anders abkonterfeit als gewöhnlich. Auf den Wunsch des Verlegers dieser Blätter will ich dann und wann einige Skizzen daraus abdrucken lassen. Ich beginne mit den kleinen Schicksalen, welche sich auf eins meiner Bücher bezogen haben.




Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1853, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_480.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)