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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Umgebung dennoch sehr wild. Kein grüner Rasen schließt sich freundlich an das Häuschen und es führt über den röthlichen lehmigten Sandboden ein Brett zu der Hausthüre, um bei schlechtem Wetter den glitschigen Boden ungefährdet zu passiren. Ein schlichtes, nur mit den nöthigen Küchengewächsen angepflanztes Gärtchen ist das einzige Zeichen, daß hier die Hand eines Menschen walte, denn alles Uebrige von niedergehauenem Walde trägt nur spärliche Spuren von Anbau. Einige Hühner und eine Kuh bilden das lebendige Inventar dieser Farm von 80 Ackern, und wenn der Eigenthümer vielleicht zufällig an der Fence steht, so machst Du Bekanntschaft mit ihm selbst und er ladet Dich im österreichischen Dialect ein, etwas näher zu treten. Hast Du keine Eile und folgst der treuherzigen Einladung des hübschen Mannes, der trotz seiner zerfetzten Kleidung seines banditenmäßigen Anzugs im rothen Hemde, seinen früheren Stand nicht verläugnet, so führt er Dich in sein Wohnzimmer und bietet Dir einen Platz auf seinem bescheidenen mit Stroh gepolsterten Divan an.

Es ist ein freundliches Zimmer, höchst einfach im deutschen Styl möblirt, und was hier höchst einfach heißt, das ist ein Möblement, das aus einem oben beschriebenen Divan, einem Tische und einigen Stühlen nebst zwei Betten besteht. An der Wand hängen einige Karten und ein paar Gewehre, über denen ein grüner Tyrolerhut paradirt.

Der Herr von Grünberg, so wollen wir ihn nennen, und seine liebenswürdige Gattin, zogen vor fünf Jahren in’s Land. Aus Prag gebürtig, diente er bei den kaiserlichen Uhlanen, stand lange Jahre in der Lombardei und zuletzt als Adjutant bei einem der österreichischen Erzherzoge. Warum er diesen Posten verließ, übergeben wir mit Stillschweigen, nur so viel, daß er als Ehrenmann resignirte. Die Revolution von Wien, an der er sich als Offizier der Nationalgarde betheiligte, zwang auch ihn, in Amerika eine neue Heimathsstätte zu suchen. Nicht ohne Mittel, die er auf Zinsen auslieh, lebte er hier einige Zeit recht behaglich, da aber sein Hauptschuldner fallirte und er nur einen Theil der Summe in „Land“ retten konnte, so sah er sich genöthigt, Farmer zu werden.

Ohne Mittel, diese Farm nun gehörig zu administriren, Dienstboten zu halten, und nicht im Stande, selbst mit eigener Hand tüchtige Beihülfe zu leisten und so dem Lande etwas abzuringen, kam er mehr und mehr zurück und häuften sich allmälig Schulden auf sein Eigenthum, die, wenn auch nicht von Belang, so doch durch den hohen Zinsfuß von 20% ein tief einfressender Krebsschaden wurden.

So sitzt er nun draußen einsam auf seinem Lande, um Morgens einige Stunden, oft durch Sumpf und Gestrüpp, seiner Kuh nachzujagen und sie zum Melken nach Hause zu eskortiren – ein Geschäft, das sich regelmäßig Abends wiederholt. Sein Viehfutter mäht er sich selbst, sein Holz zum Feuern und Kochen spaltet er ebenfalls eigenhändig, während seine Gattin, leidend durch die ungewohnten niedrigen Dienste einer Hausmagd, alle Wochen einige Mal in die Stadt zu Fuß geht, um einen schweren Korb mit Lebensbedürfnissen nach Hause zu schleppen, wenn sie nicht das Glück hat, auf einem mit Ochsen bespannten Bretterwagen gelegentlich aufzusitzen. Die Erinnerung an das „dolce far niente“, das er im schönen Venedig, in Mailand und Verona kennen gelernt, ist wie eine Fata Morgana längst verschwunden. Statt in der italienischen Oper, deren Melodien er noch manchmal halblaut vor sich hinträllert, hört er nur das Geläute des weidenden Viehes, und während der städtische Handwerker, der einst in Deutschland sein Felleisen keuchend an dem hoch zu Roß paradirenden Baron vorübergeschleppt, nun Sonntags in einem eleganten Einspänner an dessen Farm mit seiner Lady vorüber in das benachbarte Städtchen kutschirt, macht unser armer Freund, beliebt übrigens bei allen Nachbarn, mit seiner Gattin einen Spaziergang in den Busch, um süße Beeren zu suchen, oder besucht einen deutschen Bauer der Nachbarschaft, um mit diesem einige Stündchen zu verplaudern.

Aber das sei ihm zur Ehre nachgesagt, mit stoischer Gelassenheit erträgt er sein Schicksal – mit gemüthlicher Freundlichkeit empfängt er seine Gäste aus gebildeten Ständen, die ihn manchmal Abends zu einer Partie Whist besuchen und lächelnd entschuldigt sich seine liebenswürdige Gattin über den frugalen Abendtisch mit den Worten: „wir sind halt arm!“

(A. St.) 




Maria Stuart’s Briefe. In der lateinischen Abtheilung der kaiserlichen Bibliothek zu Paris befindet sich unter der Nr. 8660 ein kleines, in rothem Maroquin eingebundenes Manuscript, auf dessen Titelblatt die Worte stehen: „Lettres latines de Maria Stuart, reine d’Ecosse et dauphine de France.“ – Die dreiundsechzig Briefe, welche dieses Manuscript enthält, sind Uebungsstücke, welche Maria Stuart in ihrem zwölften Lebensjahre, vom Juli 1554 bis Januar 1555, zur Uebung im Lateinischen geschrieben hat. Charakteristisch ist der eine Brief, welchen sie an den Dauphin Franz, den sie 1558 heirathete, schrieb. Er lautet:

„Maria an Franz, den Dauphin. – Als ich die herrlichen Thaten Alexander's las, des größten Kriegshelden, der je gelebt, habe ich es beachtenswerth gefunden, mein Herr, daß er Nichts so sehr geliebt, wie die Literatur. Denn, als man ihm ein kleines Kästchen brachte – so schön, daß man unter den Schätzen des Darius nichts Schöneres finden konnte – und die Frage aufwarf, wozu es gebraucht werden sollte, schlugen die Einen dies, die Andern jenes vor; „es soll zur Aufbewahrung meines Homer dienen“ – sagte Alexander hiermit zu verstehen gebend, daß es keinen größeren Schatz gäbe, als Homer’s Werk. Ein anderes Mal deutete er dies in anderer Weise an, als Jemand außer sich vor Freude gelaufen kam, um ihm ein glückliches Ereigniß zu melden. „Was wirst Du mir Großes melden, mein Freund, wenn Du nicht melden kannst, daß Homer auferstanden ist?“ – sagte er, hiermit andeutend, daß aller Ruhm großer Thaten zu Grunde gehe, wenn nicht ein solcher Jünger da sei, wie Homer gewesen. Lieben Sie also die Literatur, mein Herr, die nicht blos Ihre Tugenden fördern, sondern auch Ihre schönen Thaten unsterblich machen wird.“ – „Saint-Germain 20. Decembre.“




Weibliche Druckerei. In einer kleinen Stadt unweit New-York hat eine Dame eine Buchdruckerei eröffnet, zugleich als Lehranstalt für weibliche Setzer, Drucker und Manuscriptenlieferanten. Daß in Amerika die Emancipation des weiblichen Geschlechts in Gewerbe und Handel keiner Schranke unterliegt, dürfte bekannt sein, und so giebt es bereits weibliche Professoren von allen möglichen Künsten und Wissenschaften, auf der westlichen Seite sogar einen weiblichen Grobschmied.




Literarisches. An interessanten Neuigkeiten kamen in vergangener Woche auf dem literarischen Markte an: Rank: Schön Minnele, eine Dorfnovelle. – J. von Rodenberg: Der Majestäten Felsenbier und Rheinwein lustige Kriegshistorie, ein Gedicht ähnlich wie Roquette’s Waldmeister. – Oettinger: Blutende Lieder, Liebesgedichte. – Gerstäcker: Aus zwei Welttheilen, gesammelte Erzählungen, wovon einige schon gedruckt sind. – Ludwig Storch’s Gedichte, in eleganter Ausstattung. – Giseke: Kleine Welt und große Welt. 3 Theile. – Pecht: Südfrüchte. Skizzenbuch eines Malers, 2 Bände. Als nächstens erscheinend wird noch angekündigt: Wilibald Alexis: Isegrimm oder die Ilitzer und Quilitzer, eine Fortsetzung seines größeren Romans: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. – Außerdem: Prinz Minnewein. Ein Mittesommerabend-Mährchen von Wolfgang Müller. – Die Waldlieder von Gustav Pfarrius, mit Illustrationen von Osterwald. – Um einem längst gefühlten Bedürfniß abzuhelfen, wird jetzt auch eine russische Grammatik angekündigt und zwar der Wiederabdruck einer von dem bekannten A. L. von Schloezer im Jahre 1766 in Petersburg verfaßten Sprachlehre, die auf Kosten der kaiserlichen Akademie gedruckt, beim 11. Bogen aber unterdrückt ward und von der nur ein einziges Exemplar noch existirt. Auch dieses Mal sollen nur so viel gedruckt werden, als Bestellungen darauf eingehen.




Unterirdische und unterseeische Eisenbahn. Die unterirdische Eisenbahn in London, welche unter der Stadt und unter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_483.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)