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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Schmach, sicher hoffend, daß das Ansehen des allgemein hochgeachteten Pfarrherrn hinreichen werde, Antonio zu retten.

Leichten Herzens und fest überzeugt von des Geliebten Unschuld, erwartete sie nun den Vater zurück, welcher unterdeß in Lauenstein angelangt war und nicht ohne bange Besorgniß und bittere Kränkung beim Amtsschösser sich melden ließ, denn über den Markt weg bis an’s Schloß hatte die versammelte Volksmenge ihn mit Schimpfgeschrei und Lästerungen verfolgt.

Dieser kam ihm freundlich entgegen, und als der Bärenmüller seinen und seiner Tochter Kummer und Schmerz über diese neue ihnen auferlegte so harte Prüfung ausgesprochen, und inständigst gebeten, ihm doch ja nicht zu verschweigen, ob es wirklich mit dem Antonio so schlimm stehe, als allgemein erzahlt werde, da entgegnete der Amtsschösser mit wohlwollender Theilnahme:

„Ich kann es Euch nicht verargen, daß Ihr bitterlich betrübt seid, über diesen Euren Gast betroffenen Unfall, von dem ich ebenfalls so Böses nicht glaube, als das Volk sich von diesen Fremden erzählt, und kann Euch, jedoch nur im Vertrauen, sagen, daß ich das Ganze für nichts mehr halte, als für einen Schalksnarrenstreich, zu welchem der Haß und Groll des schwarzen Mattheus und des geizigen Urban Fleck die Glashütter und Rückenhainer Dummköpfe verleitet hat und die vielleicht gar dem Leben der Fremdlinge Gefahr gebracht hätten, wenn nicht die Bauern aus Dittersdorf diese gegen Mißhandlungen in Schutz genommen. Denn von Raub und Mord wollen die Gefangenen nichts wissen und lehnen entrüstet solchen schweren Verdacht ab. Waffen haben sie auch nicht bei sich getragen, und als sie überfallen wurden, haben alle lachend erklärt, man solle sie nur vor Gericht bringen, da würde ihre Unschuld sich sattsam erweisen, und von Gold und Silber hat man auch nichts bei ihnen gefunden, als was sie in ihren Geldbeuteln für den täglichen Bedarf gebraucht, wohl aber eine Menge seltsam Gestein und leimige Flußerde, und ich hätte die wunderlichen Gesellen sofort wieder auf freien Fuß gesetzt, wenn sie nicht so halsstarrig wären, die Aussage zu verweigern, welchen Zweck überhaupt ihr Herumtreiben in hiesiger Gegend gehabt, denn es liegt weiter nichts Verdächtiges gegen sie vor, und ihre Papiere als Bürger der freien Schweiz sind in bester Ordnung.“

„Gott lohne Euch diese Trostesworte!“ rief neuermuthigt der Bärenmüller. „Ja, ich und Agathe wußten wohl, daß der Antonio unschuldig und solch’ verbrecherischen Treibens nicht fähig, als ihn jetzt die ganze Umgegend beschuldigt, aber ich am allerwenigsten hätte ihn vertheidigen dürfen gegen das böse und dumme Volk, welches auf seinen Fang ausgezogen und von nichts als von Mord- und Brandthaten spricht, die jene Fremden verübt haben sollen. Denn überall, wo ich mich auf dem Wege hierher sehen ließ, schrie die wilde, bethörte Menge mir zu: „Da geht er, der Helfershelfer der Strolche und Wegelagerer, da geht er, der sein Kind verkuppelt an den Räuberhauptmann!“

„Hört, Bärenmüller,“ entgegnete hierauf der Amtsschösser: „Wollt Ihr Freundes Rath befolgen, so reist mit dem Antonio, so wie dieser wieder auf freiem Fuße ist, und dies wird binnen wenigen Tagen der Fall sein, fort aus hiesiger Gegend, denn hier dürfte Euch wenig Freude mehr erwachsen an guten Nachbarn und desgleichen, und das Gericht nicht immer die Macht haben, Euch vor der Tücke und Rohheit Eurer Feinde zu schützen.“

„Dies habe ich auch schon gedacht,“ sprach hierauf wehmüthig der Bärenmüller, „und es wird wohl auch nicht anders werden, obgleich es mir recht schwer werden wird, die Mühle, die ich gleichsam zum zweiten Male wieder geerbt, und die mir nun wieder lieb geworden, zu verlassen und in ein wild-fremdes Land hinauszuziehen.“

„Nun, überlegt es Euch, und fragt den Hochwürdigen Pfarrherrn in Pirna um Rath, wenn Ihr vielleicht glaubt, daß Ihr und ich zu schwarz sehen in dieser Angelegenheit,“ rief der Amtsschösser. „Jetzt aber eilt, daß Ihr zu Eurer Tochter kommt und dieser Trost bringt. Sprechen könnt Ihr den Antonio jetzt nicht, denn das Verhör beginnt sogleich wieder, aber fest versichern könnt Ihr dem liebekranken Mägdlein, daß binnen hier und drei Tagen der Antonio wohlbehalten wieder bei Euch eintrifft.“

„Das will ich mit Freuden hinterbringen, gestrenger Herr Amtsschösser,“ entgegnete der Bärenmüller und verließ nochmals dankend für Trost und Rath das Schloß. Und wieder auf seinem Heimwege rief ihn der Spott und Hohn des von dem schwarzen Mattheus und dem Kratzhammerwerksbesitzer aufgewiegelten Volkes die schmählichsten Schimpfreden nach.

Mit fieberhafter Ungeduld harrte Agathe des Vaters Heimkehr, obwohl in ihrem Innern den Antonio, rein und schuldlos, nicht der leiseste Hauch eines Verdachtes traf, aber schon seine Gefangennahme war Grund genug, sie mit Furcht und Bangen um den Geliebten zu erfüllen, aber als der Müller des Weges daher eilte, und von fern schon als Zeichen froher Botschaft die Mütze hoch in die Luft schwang, da athmete sie wieder freier und froher auf, und hörte begierig auf jedes der Trostworte, welche der Vater heim brachte. Der Müller aber wandelte mit schwerem Herzen den ganzen Tag in Mühle und Hof umher und nahm schweigend Abschied von Allem, was er wieder sein genannt, denn er fühlte gar wohl, daß der Amtsschösser nicht unrecht gehabt, und daß er auf Glück und Segen hier nicht mehr bauen dürfe, wo so viele ihm aufsässige Feinde in seiner Abgeschiedenheit und Einsamkeit ihm schaden konnten an Eigenthum und Leben, aus Habgier und Rache, abgesehen vom Trennungsschmerz, wenn die geliebte Tochter mit dem Antonio fortgezogen wäre, und ihm seinen Willen gelassen hätten, allein mit den Mühlknappen in seiner Väter Erbe zu bleiben.

Denselben Tag noch traf der Superintendent Schwerdtner von Pirna in Lauenstein ein, mit diesem zugleich aber auch nach erhaltener Meldung von Seiten des Gerichts der Graf Rudolph von Bünau, der Dicke genannt, churfürstlicher Amtshauptmann der Aemter Dippoldiswalde, Grüllenburg und Altenberg. – Beide Männer hatten lange in geheimer Unterredung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 562. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_570.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)